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Gefährlicher Höhepunkt der Spannungen im Norden Kosovos

Im Norden der abtrünnigen serbischen Provinz Kosovo bleibt die Lage extrem angespannt. Die lokalen Serben blockieren weiterhin die Straßen. Pristina derweil fordert von NATO-Schutztruppe die Barrikaden wegzuräumen. Belgrad versetzte zugleich seine Armee in höchste Kampfbereitschaft.
Gefährlicher Höhepunkt der Spannungen im Norden KosovosQuelle: AFP © Armend Nimani

Wegen der extrem angespannten Lage im Norden der abtrünnigen Provinz Kosovo hat Serbien seine Armee zu Wochenbeginn in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Präsident Aleksandar Vučić habe "höchste Kampfbereitschaft" angeordnet, erklärte der serbische Verteidigungsminister Miloš Vučević am Montagabend. Weiter gab Belgrad bekannt, dass man bis Ende 2023 die Zahl der Soldaten in den Reihen der Spezialeinheiten der serbischen Armee von bisher 1.500 auf 5.000 zu erhöhen werde. 

Der oberste Armeechef Milan Mojsilović befindet sich mittlerweile ebenfalls in der Region. Seiner Meinung nach erfordert die Situation "die Präsenz der serbischen Armee entlang der Verwaltungslinie" zum Kosovo. Über die administrative Grenze darf das serbische Militär allerdings nicht hinaus. Gemäß der UN-Resolution 1244 von 1999, die nach der NATO-Bombardierung und dem Rückzug der serbischen Streitkräfte aus der Provinz gilt, kann Belgrad "einige Hundert" Ordnungskräfte zurück nach Kosovo schicken, aber nur, wenn die von der NATO geführte internationale Militärmission KFOR dem zustimmt. Eine Genehmigung gibt es bislang nicht.

In den sozialen Medien, wie Twitter, wurden dieser Tage Videos geteilt, auf denen zu sehen war, wie die serbische Armee Haubitzen rund zwei Kilometer entfernt von der "Verwaltungslinie" zum Kosovo verlegt. Doch laut serbischen Medien sei dies nur kurzzeitig gewesen. Die Haubitzen seien demnach wieder in der Kaserne. Kritiker des serbischen Präsidenten werfen ihm vor, mit Hilfe der regierungsnahen Medien jene nur zu "Propagandazwecken" und "einem Fotoshooting" dorthin versetzt zu haben. 

Doch auch Pristina ist derzeit nicht an einer Entspannung der Lage interessiert. Albin Kurti, Premierminister der vom Westen gestützten Regierung in dem mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnten Kosovo, forderte von den NATO-Truppen, die von den lokalen Serben errichteten Straßenbarrikaden zu beseitigen. In mehreren mehrheitlich von Serben bewohnten Gemeinden im Norden der abtrünnigen Provinz, die sich 2008 für unabhängig erklärt hatte, hat die lokale Bevölkerung die Straßen und Grenzübergänge blockiert.

Grund dafür ist die Verhaftung eines früheren Kosovo-Polizisten serbischer Nationalität, dem vorgeworfen wurde, einen Bombenanschlag auf die Räumlichkeiten der Wahlkommission im serbisch dominierten Norden der Stadt Mitrovica verübt zu haben. Die Bevölkerung fordert seine Freilassung. Zugleich verlangt sie von der Regierung in Pristina, die Spezialeinheiten der kosovarischen Polizei aus dem Norden zurückzuziehen und pocht darauf, dass weiterhin lediglich die KFOR-Soldaten dort stationiert bleiben.

Doch in einem Interview am Dienstag erklärte Kurti nun: "Wenn KFOR nicht in der Lage ist, die Barrikaden zu entfernen oder es aus mir unbekannten Gründen nicht tut, dann müssen wir es tun." Die lokalen Serben deuteten dies wiederum als eine weitere Drohung und verwiesen darauf, dass es Pristina vor allem darum gehe, durch Angstmacherei und Schikanen auch die restlichen serbischen Bewohner dazu zu bewegen, das Kosovo zu verlassen.

In diesem Teil der abtrünnigen serbischen Provinz nördlich des Flusses Ibar, wo rund 70.000 Menschen leben, hat Pristina nie die volle Kontrolle gehabt. Die lokalen Serben sind der Regierung in Pristina gegenüber misstrauisch und eher der Regierung in Belgrad zugewandt. Pristina wiederum wirft den Serben in der Region vor, eine rechtsfreie Zone errichtet zu haben, in der "Kriminelle" und "Schmuggler" das Sagen hätten. Deshalb führten die Spezialeinheiten in regelmäßigen Abständen in den Gemeinden unter dem Vorwand der Kriminalitätsbekämpfung Aktionen durch, die jedoch in der serbischen Bevölkerung für Unmut sorgten. Erst jüngst hatten auch Dutzende serbische Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung in der abtrünnigen Provinz ihre Ämter niedergelegt. Hintergrund war ein Streit um Nummernschilder. Pristina wollte eine Anordnung durchzusetzen, nach der Autofahrer die von Serbien ausgestellten Kfz-Kennzeichen wechseln müssen, andernfalls drohten Strafen. Auf Druck der EU und der USA verschob Pristina die Einführung der neuen Nummernschilder.

Wegen der wachsenden Spannungen hatte Serbiens Regierungschefin Ana Brnabić erst kürzlich vor einer Eskalation gewarnt. Beide Seiten stünden "tatsächlich am Rande bewaffneter Konflikte", betonte sie. Dafür machte sie Pristina verantwortlich, welche die Serben im Norden der Region unterdrücke.

Der Sicherheitsrat des Kosovo hingegen gab Serbien in einer Sitzung am Montag die Verantwortung für die Verschlechterung der Beziehungen. Belgrad gehe "mit allen verfügbaren Mitteln gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Republik Kosovo" vor, lautete der Vorwurf aus Pristina.

Die Proteste der Serben an den Barrikaden, die den Verkehr an mehreren Grenzübergängen lahmgelegt haben, dauern nun seit 19 Tagen an. Erst vor wenigen Tagen gab es Berichte über Schüsse in der Nähe einer Blockade. Doch bislang ist nicht klar, wer geschossen und ob es sich um Warnschüsse oder einen Feuerwechsel gehandelt hatte. Die Lage vor Ort wird weiterhin als extrem angespannt beschrieben. Das Auswärtige Amt in Berlin rät seit der vergangenen Woche von "nicht unbedingt notwendigen Reisen in den Norden Kosovos" ab.

Serbien erkennt die Unabhängigkeit des Kosovo nicht an. Auch China, Russland und mehrere EU-Mitgliedsländer haben Kosovo bislang nicht als Staat anerkannt. Der serbische Präsident hatte in den vergangenen Monaten stets erklärt, dass der Druck des Westens auf Belgrad, eine "Normalisierung der Beziehungen" voranzutreiben, erhöht werde. Mehrere westliche Politiker gaben Belgrad zu verstehen, dass Serbien das Kosovo anerkennen muss, um der Europäischen Union beitreten zu können. Seit Monaten gibt es in den lokalen serbischen und auch kosovo-albanischen Medien Berichte über zeitnahe  Verhandlungen, um eine Lösung zu finden, die dem Modell der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und der einstigen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) ähneln soll. Danach soll Belgrad die Unabhängigkeit von Pristina formell "schriftlich und auch mündlich" nicht anerkennen, aber die Mitgliedschaft des Kosovo in der UNO und anderen internationalen Organisationen auch nicht behindern. 

Mehr zum Thema - Die Kosovo-Frage: Der Druck auf Serbien steigt, doch Belgrad zögert mit der Anerkennung

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