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Hat die CIA wirklich alleine den Al-Qaida-Chef getötet? Eine Spurensuche nach den Drahtziehern

Die CIA hat nach Angaben von US-Präsident Joe Biden den Chef des Terrornetzwerks Al-Qaida, Aiman al-Sawahiri, getötet. Doch handelte der Geheimdienst bei der Mission offenbar nicht alleine. Auf der Suche nach den Verantwortlichen führen die Spuren auch zum US-Militär in Deutschland.
Hat die CIA wirklich alleine den Al-Qaida-Chef getötet? Eine Spurensuche nach den DrahtziehernQuelle: AFP © SITE INTELLIGENCE GROUP

Eine Analyse von Désirée Lambert 

Rund ein Jahr nach dem offiziellen Abzug der US-Streitkräfte aus Afghanistan ist es dem US-Auslandsgeheimdienst CIA nach Angaben von US-Präsident Joe Biden im Rahmen einer Anti-Terror-Operation gelungen, den für die Anschläge am 11. September 2001 mitverantwortlich gemachten Nachfolger von Osama bin Laden zu töten. Der Anführer der Terrororganisation Al-Qaida, Aiman al-Sawahiri, "ist nicht mehr da", erklärte Biden am Montagabend in einer Fernsehansprache. Doch waren in diesen Angriff nur Agenten der CIA involviert? Und welche Rolle spielt Deutschland dabei?  

Lautlose Killer im Auftrag Washingtons

Laut Information der Nachrichtenagentur Reuters soll der Al-Qaida-Chef durch eine Drohne der CIA getötet worden sein. Gesteuert werden diese in der Regel aus der CIA-Zentrale in Langley. Aber auch der in Rheinland-Pfalz gelegene US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein spielt dabei eine prominente Rolle, wie die Enthüllungen des ehemaligen Drohnenpiloten Brandon Bryant im Jahr 2014 zeigten. "Ohne Deutschland wäre der gesamte Drohnenkrieg der USA nicht möglich", erklärte der Whistleblower 2014 der Süddeutschen Zeitung (SZ). 

"In den mehr als tausend Drohneneinsätzen, die ich geflogen habe, gab es kein einziges Mal, wo wir zum Schichtbeginn nicht in Ramstein angerufen haben."

Das Signal der Drohne wird Bryant zufolge über einen Satelliten nach Ramstein übertragen. "Dort wird das Signal verstärkt und per Glasfaserkabel in die Vereinigten Staaten geleitet, wo wir Piloten saßen." Als Pilot habe er während des gesamten Einsatzes per abgesichertem Chat-System mit Analysten des sogenannten Distributed Ground System (DGS) in Kontakt gestanden:

"In den Distributed Ground Systems (DGS) werden die Videobilder unserer Drohne überwacht, analysiert und an die zuständigen Stellen verbreitet."

Von dort habe er mehrmals stündlich Live-Hilfestellung zur Auswertung seiner Bilder erhalten, so Bryant. Der Whistleblower hatte darauf hin erklärt, dass er oft "mit den Jungs vom DGS gechattet" habe. Diese hätten demnach sehr wohl bestätigt, in Langley, Hawaii oder Ramstein zu sitzen. Bei dem Angriff auf Aiman al-Sawahiri handelte es sich um einen sogenannten "Signature Strike", für welchen vorab präzise Zielanalysen benötigt werden. Diese werden den an solchen Anti-Terror-Missionen beteiligten CIA- und Militäroperatoren von Analysten der Distributed Ground Systems zur Verfügung gestellt, die laut Bryant nicht nur in der CIA-Zentrale in Langley, sondern auch in Ramstein sitzen. 

Die für ihre Analysen benötigten Informationen erhalten die Analysten dabei jedoch nicht nur durch Auswertung von zuvor durch Überwachungsdrohnen oder Satelliten gesammelten Daten. Auch kleine Teams von US-Spezialkräften, die meist im Geheimen im Einsatzgebiet operieren, unterrichten die im Ausland sitzenden Analysten über einsatzrelevante Gegebenheiten vor Ort. Die dem US Joint Special Operations Command (JSOC), das US-Spezialkräftekommando, unterstehenden Spezialeinsatzkräfte - wie etwa die Green Berets - helfen dem US-Militär und der CIA unter anderem auch dabei, vermeintliche Terroristen aufzuspüren und Drohnenangriffe zu koordinieren.

War es das US-Militär oder die CIA? 

Wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Geheimdienstkreise zu der Tötung von al-Sawahiri berichtet, soll zur Unterstützung der CIA-Operation ein amerikanisches Einsatzteam vor Ort gewesen sein. Handelte es sich bei dem Team etwa um eine Einheit des JSOC? Zwar erklärte die US-Regierung, dass es sich bei dem Anschlag auf al-Sawahiri um eine CIA-Operation gehandelt habe. Allerdings wurde die bedeutende und komplexe Rolle des Joint Special Operations Command nicht erwähnt. Dies ist insofern von Bedeutung, weil die US-Drohnenstrategie häufig fälschlicherweise in zwei verschiedene Programme unterteilt wird: die offenen Drohnenangriffe des konventionellen Militärs und die verdeckten Angriffe der CIA.

Tatsächlich spielt seit der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama in der Realität jedoch lediglich noch das  Counterterrorism Center (CTC) der CIA eine verstärkte Rolle im US-Drohnenkrieg. Und zwar bei der Identifizierung und Lokalisierung hochrangiger US-Ziele. Die Angriffe werden ausschließlich vom JSOC durchgeführt und autorisiert, und dies auch nur gegen Personen, die als "hochwertige Ziele" identifiziert wurden. Dabei ist die Zusammenarbeit der beiden Dienste nicht neu.

So hat das JSOC in der Vergangenheit bereits mehrfach mit der CIA zusammengearbeitet. Dabei scheint die Art der Zusammenarbeit bei den gemeinsamen Missionen offenbar vom jeweiligen Schauplatz und auch von den spezifischen Operationen abzuhängen. Aus den begrenzten Veröffentlichungen von US-Regierungsdokumenten – meist durch undichte Stellen oder Wikileaks – geht allerdings eindeutig hervor, dass dem JSOC unterstehende US-Spezialeinheiten an tödlichen CIA-Operationen auf der ganzen Welt beteiligt waren. 

Dies ist insofern von großer Bedeutung, als das JSOC eine militärische Organisation ist, die mit der CIA zusammenarbeitet. Es ist jedoch weder Teil des konventionellen Militärs noch gänzlich mit der CIA verwandt. Vielmehr handelt es sich um eine hochgradig geheime Militär-Organisation. Denn dieser Teil des US-Militärs verfügt über weitreichende Befugnisse, konvergiert zunehmend mit der CIA und hält sich noch nicht einmal an US-Gesetze. Im Krieg gegen den Terror ist den JSOC-Einheiten somit alles erlaubt. 

Krieg gegen den Terror

Doch die "Kriege" des JSOC sind keine konventionellen Kriege. Es sind Guerilla- und Partisanenkriege, Mordkommandos und Terroranschläge. Auch die Einsätze der Sonderkommandos beruhen ausschließlich auf nachrichtendienstlichen Erkenntnissen und werden in der Regel nicht durch Kontrollgremien überprüft. Auftrag ist Auftrag. Die Soldaten wissen in den meisten Fällen nicht, wen sie dort genau jagen und töten sollen. Ihnen wird lediglich ein Geheimdienstmemo vorgelegt, dass es sich um ein hochwertiges Ziel handelt, das es auszuschalten gilt. Woher die Informationen kommen, ob es sich um Beweise oder Gerüchte handelt, wissen die Spezialtruppen oftmals auch nicht.

Seit dem 11. September 2001 hat sich diese geheimnisvolle Gruppe zunehmend etabliert und es dabei geschafft, ein Maß an Unauffälligkeit aufrechterhalten, wie es nicht einmal die CIA erreicht hat. "Wir sind die dunkle Materie. Wir sind die Kraft, die das Universum beherrscht, aber nicht gesehen werden kann", erklärte ein Navy SEAL 2011 der Washington Post. Dabei sind die Mitglieder der US-Navy-Seals nur ein kleiner Teil des JSOC, das sich von einem selten eingesetzten Geiselrettungsteam zu Amerikas Geheimarmee entwickelt hat. Als Mitglieder dieser Elitetruppe im Mai 2011 Osama bin Laden in Pakistan töteten, wussten nur wenige Menschen, dass das Kommando überhaupt existiert.

"Selbst die CIA hat nicht die Größe oder die Befugnis, einige der Dinge zu tun, die wir tun können", erklärte ein JSOC-Mitarbeiter nach der Ermordung bin Ladens. Demnach habe der ehemalige US-Präsident Barack Obama den Kommandoeinheiten des JSOC sogar die Befugnis erteilt, Personen für dessen Tötungsliste auszuwählen und diese im Anschluss zu töten – statt sie gefangen zu nehmen. Diese Liste des JSOC werde in der Regel nicht mit der CIA abgestimmt, die eine ähnliche, aber kürzere Liste mit Namen führe, so der JSOC-Mitarbeiter.

Die Unauffälligkeit ist dabei eines der Markenzeichen der Einheiten. So tragen sie im Kampf weder Namen noch Rangabzeichen - oftmals auch keine Uniformen. Und dabei gehen sie rabiat vor. "Wenn sie (JSOC-Einheiten) hinter einer Person her sind, und es befinden sich weitere 34 Personen in dem Gebäude, dann werden 35 Personen sterben, erklärte Historiker Gareth Porter nach der Ermordung von Osama bin Laden. "Und weil diese Einheiten die Zusammenhänge nicht verstehen und auch nicht hinterfragen, weil Patriotismus und Korpsgeist das Gewissen ausschalten, sind diese Truppen auch überall und für alles einsetzbar. In den schmutzigen Kriegen in Lateinamerika spielten sie immer eine zentrale Rolle."

So seien die JSOC-Einheiten laut dem Historiker auch an der Operation "Urgent Fury" in Grenada sowie an Missionen in Afghanistan, Somalia, Mogadischu, dem Irak, Jemen und Pakistan beteiligt gewesen. Dabei sind die Einheiten heute nach Angaben der US-Regierung in über 150 Ländern der Erde aktiv. Neben "Militärberatung" und Ausbildung von Spezialeinheiten "befreundeter" Länder gehören zudem auch "capture or kill"-Aufträge zum Aufgabenspektrum. 

Spezialoperationen in Deutschland

Der Öffentlichkeit nahezu unbekannt ist hierbei, dass das JSOC bei seinen Missionen sowohl im Nahen Osten als auch in Afrika den Weisungen des Special Operations Command Africa (SOCAFRICA), einem Unterkommando des US-Afrika-Kommandos in Stuttgart untersteht und somit auch mal aus Deutschland heraus operiert. Dabei unterscheidet sich die Vorgehensweise dieser amerikanischen Schattenkrieger kaum von den Praktiken der lateinamerikanischen Todesschwadronen der 80er Jahre. 

Washington behauptet, das internationale Recht erlaube es den USA, Verdächtige auch in Staaten, mit denen man sich nicht im Krieg befinde, ohne Gerichtsverfahren zu töten. Folgerichtig erfuhr die deutsche Öffentlichkeit nach den Enthüllungen der US-Zeitschrift Vanity Fair im Jahr 2010, dass die CIA gemeinsam mit einerden JSOC-Einheiten nahestehenden US-Söldnerfirma, die Ermordung eines Terrorverdächtigen in Deutschland plante. Der Deutsch-Syrer Mamoun Darkazanli sei demnach über Wochen an seinem Wohnort Hamburg observiert worden. Dies sei im Rahmen des vom früheren US-Präsidenten George W. Bush gestarteten Programms zum Auffinden von Al-Qaida-Mitgliedern im Namen des Anti-Terrorkrieges geschehen. Darkazanli sollte damals gefangen genommen oder getötet werden.

Mit dem sogenannten "Krieg gegen den Terror" rechtfertigen die USA und ihre Verbündeten die gezielte Tötung vermeintlicher Staatsfeinde und Terroristen. Sei es das Entführen und Foltern von zu Terroristen erklärten Menschen oder sogar deren Tötung – in diesem Krieg ist alles erlaubt. Und das ohne jegliche juristische Kontrolle. Letztlich braucht eine Regierung ihre Gegner nur noch als "Terroristen" zu bezeichnen, um sie unter Missachtung des geltenden Rechts zu ermorden. Diese Handhabung bestätigte auch US-Präsident Joe Biden, als er in seiner Ansprache zu der Ermordung des Al-Qaida-Chefs am Montag abschließend drohte: 

"Egal, wie lange es dauert, egal, wo du dich versteckst: Wenn du eine Bedrohung für unsere Bevölkerung bist, werden die Vereinigten Staaten dich finden und ausschalten."

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