Geimpft oder nicht? Unternehmerlobby wünscht sich gläserne Beschäftigte

Der einflussreichste Unternehmerverband BDA ruft nach einem neuen Gesetz. Die Politik solle Beschäftigte dazu verpflichten, gegenüber dem Arbeitgeber ihren Impfstatus offenzulegen. Das könnte weitreichende Konsequenzen für die Arbeitnehmerrechte haben.
Geimpft oder nicht? Unternehmerlobby wünscht sich gläserne BeschäftigteQuelle: www.globallookpress.com © www.imago-images.de

von Susan Bonath

Ob Schwimmbadbesuch, Kinoabend oder Flugreise: Wer kein Impfzertifikat oder keinen negativen Corona-Test vorweisen kann, muss draußen bleiben, mancherorts gilt letzterer bereits nicht mehr. Lohnabhängige trifft die Rundumüberwachung der persönlichen Gesundheitsdaten immer existenzieller. Wie lange noch werden nicht gegen das SARS-CoV-2-Virus Geimpfte ihr Brot erwerben dürfen?

In Deutschland haben Bundestag und Bundesrat bereits beschlossen, dass etliche Berufsgruppen, darunter Beschäftigte in Kitas, Schulen und Pflegeheimen, ihrem Chef verraten müssen, ob sie gegen Corona geimpft sind oder nicht. Auch Handwerker, die in diesen Einrichtungen tätig sind, fallen unter diese Regel. Nun werden die Rufe nach einer allgemeinen Auskunftspflicht lauter. Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger, fordert von der Politik, alle Beschäftigten dazu zu verpflichten, gegenüber ihrem Arbeitgeber ihren Impfstatus hinsichtlich COVID-19 offenzulegen, wie die Welt berichtete.

In Österreich ist das schon gang und gäbe. An Arbeitsplätzen gilt dort nun die sogenannte 3G-Regel. Wer nicht geimpft oder vorübergehend als genesen anerkannt ist, darf nur mit negativem PCR-Test seinen Arbeitsplatz betreten, sofern er dort mehr als zweimal am Tag mindestens eine Viertelstunde Kontakt mit anderen Menschen hat.

Gläserne Gesundheitsdaten für mehr Schutz?

Wie alle bisherigen Corona-Maßnahmen steht auch Dulgers Forderung unter dem Zeichen vermeintlichen Gesundheitsschutzes. Laut der Welt verlangte der BDA-Chef am Dienstag in Berlin nach einer "eindeutigen Grundlage für die Fortentwicklung von betrieblichen Schutzkonzepten". Das Auskunftsrecht von Unternehmen über den Impfstatus ihrer Angestellten müsse gesetzlich festgelegt werden. Dulger fügte an: "Wer da zögert, riskiert ein Weniger an Gesundheitsschutz in unseren Betrieben."

Rund sieben Millionen Niedriglöhner und prekär Beschäftigte in Deutschland dürften sich bei solchen Aussagen gemeinsam mit den überlasteten Pflegekräften verwundert die Augen reiben. Denn gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen spielten für sie bisher eine eher untergeordnete Rolle.

So dürften in erster Linie die miserablen Arbeitsbedingungen der Grund dafür sein, dass die Kliniken mit ihren Intensivstationen immer schneller an ihre Überlastungsgrenze kommen, mit oder ohne Corona-Patienten. Kürzlich warnte die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) vor einer "spürbaren Einschränkung in der Versorgung der Bevölkerung", weil Pflegekräfte wegen Überlastung reihenweise kündigten. Vor allem auf ihnen lastet auch ein enormer Druck, sich impfen zu lassen.

Droht vielen Ungeimpften bald die Kündigung?

Kommt nun diese Auskunftspflicht für alle Beschäftigten, möglicherweise noch mit einer 3G-Regel und selbst zu finanzierenden Corona-Tests im Schlepptau, wirft das arbeitsrechtliche Fragen auf, etwa: Dürfen Unternehmen Beschäftigte kündigen, wenn sie nicht geimpft und so nicht mehr einsetzbar sind?

Der RBB bereitete seine Hörer und Leser schon Mitte Oktober auf derartige Szenarien vor. In einem Interview ließ sich der öffentlich-rechtliche Sender von einem Arbeitsrechtler erklären, schon jetzt habe der Arbeitgeber das Recht, den Impfstatus zu erfahren, wenn Angestellte an Orten mit 2G-Regel eingesetzt werden. Wenn unter 2G-Bedingungen ein Einsatz im Homeoffice ausgeschlossen ist, müsste das Unternehmen Beschäftigte unbezahlt freistellen. Weiter sagte er:

"Da dies den wenigsten Arbeitgebern finanziell möglich sein dürfte, wird der Arbeitgeber als Ultima Ratio auch über eine personen- oder betriebsbedingte Kündigung nachdenken."

Zu befürchten ist ferner, dass Ungeimpfte immer schwerer eine Arbeit finden, weil Unternehmen Geimpfte vorziehen könnten. Bislang erhalten Betroffene in solchen Fällen noch Arbeitslosengeld I oder II. Wie lange das noch sein wird, steht in den Sternen. Für Arbeitslose gelten strenge Mitwirkungspflichten, die darauf gerichtet sein müssen, schnell wieder einen Job zu finden. Betroffenen könnte die Ablehnung der Impfung als fehlende Mitwirkung ausgelegt werden, was dann zu Sanktionen oder Geldsperren führen würde.

Impfen lassen als "Mitwirkungspflicht"?

In Österreich wird bereits genau das praktiziert: Wenn Erwerbslose dort keine Arbeit wegen fehlender Impfung finden, können ihnen die Behörden vorübergehend das Geld streichen, wie unter anderem die FAZ im September berichtete. Damit erklärt das Land die Impfung zu einer "zumutbaren Mitwirkung". Gleiches ist künftig auch in Deutschland zumindest denkbar.

Der Focus malte bereits im September ein solches Drohszenario aus: Ungeimpfte rutschten immer tiefer in Hartz IV – und der Staat müsse für sie zahlen, befeuerte das Magazin den Unmut gegen Ungeimpfte in der Überschrift. Weiter meint der Focus zu wissen: Behördenleiter (von Arbeitsagenturen und Jobcentern) seien bereits "genervt".

So machten "ungeimpfte Menschen auf Arbeitssuche die Arbeitsagenturen ratlos". Weil Unternehmen Impfnachweise forderten, hätten sie es schwer, eine neue Stelle zu finden. Daher landeten sie "eher in den Akten statt auf der neuen Stelle". Dann holte das Blatt mit der Moralkeule aus: "Ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld behalten Impfgegner dennoch." Auch Hartz IV stehe ihnen weiter zu. Ein "deutlich genervter Geschäftsführer einer Arbeitsagentur im Westen Deutschlands" durfte im Anschluss klagen: "Wir haben dagegen keine rechtliche Handhabe." Man hätte wohl gern eine solche in Form von Sanktionen.

Eine allgemeine Pflicht zur Auskunft über Gesundheitsdaten wie den Impfstatus wäre ein gravierender Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht von Beschäftigten. Noch tiefer wären diese Eingriffe, wenn eine Impfung Arbeitssuchenden als Mitwirkungspflicht auferlegt würde. Die Frage ist: Diskutiert die Politik bereits darüber? Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bat auf Anfrage der Autorin um Aufschub der Antwort. Man schaffe es erst zu Beginn kommender Woche, stellte eine Sprecherin in Aussicht.

Derweil gilt die 3G-Regel schon jetzt in manchen Jobcentern. Zumindest werden Betroffene etwa in Mittelsachsen aufgefordert, sich – nun kostenpflichtig – testen zu lassen, wenn sie einen Termin bekommen haben und nicht geimpft sind. Auf Nachfrage wiegelten die zuständigen Behörden ab: Man müsse auch Ungeimpfte beraten, die nicht getestet sind. Dafür gebe es spezielle Sicherheitsräume. Doch wenn die Corona-Krise eines gelehrt hat, dann: Was heute noch gilt, kann morgen schon ganz anders sein. Es dürfte schwer sein, die Politik dazu zu bringen, einen einmal erfolgreichen Angriff auf die Arbeitnehmerrechte später wieder zurückzunehmen.

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