Meinung

Über die Bigotterie des deutschen "Widerstands" gegen rechts

Während in Deutschland über ein privates Treffen diskutiert wird, als säßen bereits Millionen von Menschen in Zügen nach Nirgendwo, sind die Deportationspläne Israels weiter fortgeschritten. Die inzwischen rund 30.000 toten Palästinenser haben ihre Reise bereits angetreten.
Über die Bigotterie des deutschen "Widerstands" gegen rechtsQuelle: www.globallookpress.com © Mahmoud Ajjour/Keystone Press Agency

Von Tom J. Wellbrock

Menschen aus Deutschland auszuweisen, ist faschistisch, und Menschen aus Deutschland auszuweisen, ist eine vernünftige Reaktion. Beides scheint zu stimmen, die Frage ist nur, wer es sagt. In einem Video, das auf einer der zahlreichen Demos gegen rechts gemacht wurde, sagte ein Teilnehmer, Abschiebungen der AfD seien nicht vom Grundgesetz gedeckt, solche, die die Bundesregierung anstrebt, aber schon.

Die Bigotterie Deutschlands ist in zahlreichen anderen Ländern längst aufgefallen, und mit seiner kategorischen Verneinung gegenüber den israelischen Verbrechen an den Palästinensern hat sich die Bundesregierung noch ein weiteres Stück ins Abseits begeben. Umso tragischer ist es, dass zigtausende Menschen dem Ruf der Politik folgen und wie von Sinnen gegen die AfD demonstrieren.

Sag den Menschen, dass sie für das Beste stehen, und du wirst sie dazu bringen, das Schlimmste zu tun.

Gegenwind für die taz!

Mustafa Barghouti ist Generalsekretär der Palästinensischen Nationalen Initiative (PNI). Kürzlich gab er der taz ein Interview. Und das hatte es in sich, der Mann stellte nicht nur einiges klar, sondern auch die deutsche Politik bloß.

Gleich zu Beginn des Interviews versuchte Barghouti auf die Tatsache hinzuweisen, dass die Geschichte des 7. Oktober schon viel früher begonnen hatte, seiner Ansicht nach im Jahr 1948. Weit kam er mit seinen Ausführungen aber nicht, denn die taz fuhr ihm sofort ins Wort:

"… nein, bitte fangen Sie nicht mit 1948 an. Wir kennen die Geschichte. Bleiben wir bei den aktuellen Entwicklungen."

Dieses zunächst einmal sehr unhöfliche und arrogante Verhalten der Zeitung ist mehr als ein Ärgernis, denn die Behauptung "Wir kennen die Geschichte" ist unverfroren und herablassend. Die taz kennt also die Geschichte? So wie die des Krieges in der Ukraine? Wohl eher nicht, denn seit mehr als zwei Jahren wird den Menschen in Deutschland eingebläut, dass die Geschichte, die zu einem Ereignis führt, nicht die geringste Rolle spielt.

Bei Barghouti ist die taz allerdings an den Falschen geraten, denn dieser entgegnete:

"Wenn Sie die falsche Frage stellen, bekommen Sie die falsche Antwort. Es sieht aus, als wollte ich Fragen ausweichen, aber Sie sind es, die den Antworten ausweichen."

Sicherheit für wen und für wen nicht?

Das Interview drehte sich immer wieder um die Frage der Sicherheit Israels, doch Barghouti brachte die der Palästinenser ins Spiel:

"Sicherheit wird durch das Ende der Besatzung entstehen. Punkt. Nach 1948 blieben uns nur noch 22 Prozent unseres Landes, und schließlich, nach 1967, einigten wir uns darauf, nicht mehr zu beanspruchen. Wir haben unseren Anteil bereits geleistet. Aber jetzt sind die israelischen Siedler überall und wir haben nur noch 18 Prozent dieser 22 Prozent. Die letzte Siedlung wurde am 5. Dezember genehmigt. In der Hitze des Krieges. Lasst uns in Frieden und ihr werdet in Frieden leben."

Die taz tat daraufhin das, was verdeutlicht, dass Sicherheit nur für eine Seite entscheidend ist, nämlich für die israelische. Sie entgegnete:

"Netanjahu sagt, er werde den Gazastreifen nicht verlassen, bevor die Hamas ausgelöscht ist."

Das sagt Netanjahu in der Tat, und er und zahlreiche andere israelische Politiker betonen das ebenfalls immer wieder. Das Auslöschen der Hamas ist jedoch faktisch nicht möglich, und die Tatsache, dass neben den israelischen Falken eine deutsche Außenministerin diesen Wunsch teilt, ändert an den Fakten auch nichts. Aber es macht klar, worum es geht, und das sagt auch Barghouti:

"Über 70 Prozent der Häuser liegen in Trümmern. Sein Ziel ist ein anderes: Er will die Palästinenser zwingen, wegzuziehen."

Man muss ergänzen: Die noch lebenden Palästinenser, denn ein erschreckend großer Teil von ihnen – und ein noch erschreckender großer Anteil von Kindern – wird nicht mehr wegziehen können, weil sie ermordet wurden. Doch Wegziehen im Sinne dessen, was Israel sich vorstellt, ist nichts anderes als eine große Vertreibung, man könnte auch Deportation sagen.

Nein zu einem palästinensischen Staat

Auf der ganzen Welt wird über die Möglichkeit einer Zweistaatenlösung diskutiert, das ist nicht neu, hat aber nach dem 7. Oktober wieder neue Fahrt aufgenommen. Auch Deutschland spricht sich hier und da und ziemlich zögerlich und unglaubwürdig immer mal wieder dafür aus. Das ist pure Heuchelei, denn der deutschen Politik muss klar sein, was die Israelis um Netanjahu herum wollen.

Netanjahu selbst sagte etwa am 20. Januar 2024:

"Ich werde keine Kompromisse eingehen, wenn es um die vollständige israelische Sicherheitskontrolle über das gesamte Gebiet westlich des Jordans geht – und das ist unvereinbar mit einem palästinensischen Staat."

Einen Tag später stellte das israelische Staatsoberhaupt dann fest:

"Mein Beharren hat über die Jahre hinweg die Gründung eines palästinensischen Staates verhindert, der eine existenzielle Gefahr für Israel dargestellt hätte. Solange ich Premierminister bin, werde ich weiterhin mit Nachdruck darauf bestehen."

Und Netanjahu erhält aus seinem politischen Umfeld klare Unterstützung, zum Beispiel durch Orit Strock, der Ministerin für nationale Missionen (Religiös-Zionistische Partei):

"Ein palästinensischer Staat – niemals! Nach 30 Jahren ist Israel von dieser gefährlichen Idee schmerzlich desillusioniert worden. Die Ära Oslo wird nicht wiederkehren, vor allem, damit jüdisches Blut nicht billig ist."

Die Liste ließe sich mit ähnlichen Zitaten fortsetzen und sie belegt, dass es der aktuellen israelischen Regierung nicht eine Sekunde um einen palästinensischen Staat geht, im Gegenteil. Doch allein auf sie lässt sich die radikale Haltung nicht beschränken, denn:

"Im Parteiprogramm des Likud von 1977 wird unter der Überschrift 'Das Recht des jüdischen Volkes auf das Land Israel (Eretz Israel)' unmissverständlich festgehalten, dass es 'zwischen dem Meer und dem Jordan nur israelische Souveränität geben wird'."

Remigration? Deportation? Abschiebungen im großen Stil?

Es gab in Deutschland schon einmal Zeiten, da gingen die Massen für die regierende Politik auf die Straße. Heute tun sie das ebenfalls, allerdings in dem Glauben, gegen das zu demonstrieren, was sie unterm Strich befördern. Immerhin, das sollte nicht unerwähnt bleiben, jubeln die Menschen Politikern wie Boris Pistorius (SPD) zu, der das Land gern kriegstüchtig hätte. Und sie trauen Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu, "Abschiebungen im großen Stil" zu realisieren. Problematisch finden sie das ganz offensichtlich nicht.

Nur der AfD, der trauen sie nicht, niemals, kommt gar nicht infrage. Lieber schauen sie sich Theaterstücke an, die das teilweise staatlich(e) finanzierte "Correctiv" aufführen lässt, um seine "investigative" Recherche kunstvoll zu untermauern – und das nur wenige Tage nach dem "Aufdecken" eines "Geheimtreffens" von ein paar Leuten, die sich so ihre Gedanken zum Thema Abschiebung gemacht haben. Erstaunlich, wie schnell ein Theaterstück auf die Beine gestellt werden kann. Alle Schauspieler hatten kurzfristig Zeit, niemand war krank, im Urlaub oder sonst wie verhindert.

Aber der Zynismus in Deutschland kennt keine Grenzen mehr, denn Demonstranten, die ebenfalls an den Versammlungen des "Widerstands gegen rechts" teilnahmen und auf das Leid der Palästinenser aufmerksam machen wollten, wurden zur Seite gedrängt und ausgeschlossen, sie passten nicht zum wohligen Gefühl der "Widerständler".

Nennt man das Entfernen von unliebsamen Demonstranten, die auf massenhaften Mord an Palästinensern hinweisen wollen, eigentlich Abschiebung? Wegschiebung? Oder Verschiebung? Das politisch korrekte Wort wird schon noch jemandem einfallen, vielleicht einem derer, die in der Corona-Zeit Ungeimpfte deportieren wollte.

"Undifferenziert" ist noch geschmeichelt

Es ist auf der einen Seite eine propagandistische Meisterleistung der herrschenden Politik, so viele Menschen gegen eine Gefahr auf die Straße zu bringen, die faktisch nicht existiert bzw. von den Parteien ausgeht, die sich inmitten der Demonstranten sonnen – wenn man funktionierende Regeln für die Migration und Integration denn als Gefahr bezeichnen will.

Das tun die Menschen, die sich auf der Straße versammeln, nämlich sehr wohl. Unkontrollierte Zuwanderung ist für eine Mehrheit der Deutschen ein echtes Problem und wäre dem nicht so, würde Kanzler Scholz nicht von "Abschiebungen im großen Stil" sprechen. Es kann als unbestreitbar bezeichnet werden, dass Scholz sein Vokabular nur gewählt hat, weil er weiß, dafür in der Bevölkerung eine für die Wahlen relevante Zustimmung zu erhalten (was eben für eine Partei, die in einigen Bundesländern die Fünf-Prozent-Grenze in Umfragen bereits unterschritten hat, als für Wahlen relevant bezeichnet werden kann).

Es ist auf der anderen Seite aber ebenfalls eine Meisterleistung – und zwar eine intellektueller Unterbelichtung – wenn so viele Menschen so undifferenziert auf eine politische Sachlage blicken, die eklatant widersprüchlich gehandhabt wird. Von der AfD über Abschiebungen der Bundesregierung bis zum Massenmord an palästinensischen Zivilisten ist es gedanklich kein wirklich weiter Weg. Ihn nicht zu beschreiten, zeugt von intellektueller Schwäche und einer Hörigkeit der Politik gegenüber, dass die Wände wackeln.

Sie sagen, dass sie wüssten, wie es damals, unter den Nationalsozialisten, angefangen hat, doch sie wissen gar nichts. Denn sie selbst sind ein träger, aber doch gefährlicher Teil dessen, was damals begonnen hat. Vielleicht hoffen sie, irgendwann als Helden verehrt zu werden. Doch das wird – einmal mehr und womöglich nicht das letzte Mal – nicht passieren. Aber vielleicht werden sie irgendwann einmal von ihren Kindern und Enkeln gefragt, wie sie dabei mitmachen konnten.

Wenn sie dem dann ein "wir wussten es nicht besser" entgegnen, wird das traurigerweise wohl eine sehr ehrliche Antwort sein.

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.

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