Meinung

Rollkragenpullover bei 20 Grad plus – Frankreichs Regierung zieht sich schon mal warm an

Die Offiziellen der EU belehren ihre Untertanen darüber, wie sie inmitten einer Krise, die sie selbst verursacht haben, "verantwortungsvoll" handeln können – alles natürlich mit dem Hinweis darauf, dass Wladimir Putin an der ganzen Misere schuld ist.
Rollkragenpullover bei 20 Grad plus – Frankreichs Regierung zieht sich schon mal warm anQuelle: AFP © Ludovic Marin

Von Rachel Marsden

Hat noch jemand außer mir die zunehmende Zahl westlicher Offizieller bemerkt, die sich in letzter Zeit alle Mühe geben, ihren Wählern Vorträge darüber zu halten, wie man inmitten der Krisen, die von denselben Offiziellen verursacht wurden, sich nicht wie ein egoistischer und unverantwortlicher Idiot verhält?

Hier in Frankreich, als die Pariser Modewoche in vollem Gange war, führten hochrangige französische Beamte die neue "Herbst/Winter 2022-Tugend-Signal-Kollektion" vor. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire zeigte sich bei 20 Grad Celsius in einem Rollkragenpullover.

"Sie werden mich nicht mehr mit Krawatte sehen, ich trage stattdessen einen Rollkragenpullover", sagte Le Maire. "Und ich denke, das wird sehr gut sein, es ermöglicht uns Energie zu sparen und ist ein Nachweis einer Nüchternheit im Umgang mit der Situation." Wenn jemand bei sommerlichem Wetter in Skikleidung zur Arbeit erscheint, und daraus einen endgültigen Beweis für "Nüchternheit" konstruiert, dann könnte der Moment für eine psychiatrische Maßnahme gekommen sein.

Um nicht ins Hintertreffen zu geraten, zog sich der französische Präsident Emmanuel Macron für eine öffentliche Ansprache ebenfalls einen Rollkragenpullover an. Auch die französische Premierministerin Élisabeth Borne und Energieministerin Agnès Pannier-Runacher erschienen bei einem Indoor-Event in Daunenjacken.

Westliche Staatslenker scheinen sich mehr darauf zu konzentrieren, ihre Bürger zu Sparmaßnahmen zu überreden – oder sie dazu zu zwingen – als darauf, das zu reparieren, was sie zerstört haben. Letzteres würde Mut erfordern – insbesondere den Verzicht auf die selbstverletzende "Solidarität" mit Brüssel.

Dabei hat dieses Verhaltensmuster noch nicht einmal mit der aktuellen Energiekrise begonnen. Diese Blaupause ist ziemlich abgedroschen. An klimabedingte Einschüchterungen haben wir uns längst gewöhnt. Hier in Paris hat die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo einen jahrelangen Kreuzzug unternommen, um alle Fahrzeuge aus der Stadt zu verbannen, indem sie die Autofahrer mit verschiedenen Verkehrsbehinderungen und -beschränkungen, einschließlich einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h, gängelte. Die Maßnahmen sind für viele nicht nur frustrierend, sondern wohl auch sinnlos oder sogar kontraproduktiv.

Insbesondere Deutschland hat das Null-Kohlenstoff-Konzept auf die Spitze getrieben, indem es versuchte, seine gesamte industrielle Wirtschaft auf grüne Energie umzustellen, was die Franzosen auf fast fatale Weise nachahmten. Die Tatsache, dass Frankreich es nicht schaffte, im Interesse der Umwelt, seine Kernreaktoren vollständig stillzulegen, bedeutet letztlich, dass Frankreich im Gegensatz zu Deutschland, inmitten der aktuellen Selbstsanktionierung der EU gegen seine Gasversorgung aus Russland, seine einzige wirkliche Rettungsleine bewahrt hat.

All diese grünen Tugendsignale waren so sinnlos, dass die EU schließlich Anfang dieses Jahres einen Rückzieher machte und Gas und Kernenergie neu als grüne Energie einstufte. Aus den Umweltverschmutzern von gestern wurden schlagartig die Umwelthelden von heute – nicht, weil diese Industrien ihre Technologien angepasst hätten, sondern weil die EU mit dem Finger schnippte und die vormals als "schmutzig" bezeichneten Umweltverschmutzer als "grün" proklamierte.

Dasselbe Muster spielte sich während der COVID-19-Krise ab. Plötzlich waren Offizielle überall mit einer Maske vor dem Gesicht zu sehen, selbst wenn sie unter freiem Himmel waren oder allein in ihrem Büro saßen und ausschließlich per Videoschalte an Konferenzen teilnahmen. Darauf folgte die Prozession der Bilder, in denen man dieselben Offiziellen sah, wie sie sich ihre COVID-Impfung abholten. All diese Bilder ersetzten effektiv jede sinnvolle Debatte über Anti-COVID-Maßnahmen, damit die Verantwortlichen den Überblick über das Narrativ behalten konnten. Wer bei diesen Darbietungen zynisch die Augen verdrehte, der brandmarkte sich umgehend selbst als jemand, der es verdient, von den "sozial Verantwortlichen" gemieden zu werden. Und jetzt, inmitten der Energiekrise, die durch den selbst gewählten Kurs unserer westlichen Eliten verursacht wurde, erleben wir die "Energiespar-Tugendwächter".

"Alle fragen sich: Was kann ich tun?", sagte Margrethe Vestager, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, als sie auf die Frage einging, wie die Europäer dazu beitragen können, die Energieabhängigkeit der EU von Russland zu verringern. "Kontrollieren Sie Ihr eigenes Duschverhalten und das ihres Teenagers. Und wenn Sie die Dusche abstellen, sagen Sie zu sich selbst: Nimm das, Putin!"

Aber das war im April, noch bevor in ganz Europa ernsthaft von Rationierungen, Deindustrialisierung, Unternehmensinsolvenzen und explodierende Energiekosten die Rede war. Und jetzt, während des Versuchs, die Inflation zu stoppen, die durch eine Multiplikation des westlichen Krisenmanagements von COVID bis hin zu Energiesanktionen verursacht wird, werden westliche Regierungen von allen Seiten gewarnt, dass ihr Ansatz zur Erhöhung der Zinssätze, die Welt in eine Rezession, wenn nicht sogar in eine Depression stürzen wird, da alle außer den Reichsten darum kämpfen, mit den Kosten für die Dinge des täglichen Bedarfs Schritt zu halten, die sie sich zunehmend nicht mehr leisten können. Während Deutschlands Industriekonzerne sich wegen zunehmender Betriebsinsolvenzen die Köpfe zerbrechen, prahlte Wirtschaftsminister Robert Habeck damit, dass er seine tägliche Zeit unter der Dusche verkürzt hat.

Verschiedene EU-Mitgliedsstaaten – darunter Spanien, Frankreich, Griechenland und Italien – haben Obergrenzen bei Heiz- und Kühltemperaturen für Innenräume festgelegt, um ein paar zusätzliche Gasmoleküle einzusparen. Wie all diese anderen krisenbezogenen symbolischen Maßnahmen dient dieser Schritt hauptsächlich dazu, die Bürger davon zu überzeugen, dass sie etwas Produktives tun, indem sie zum Kampf gegen Russland, gegen COVID und gegen CO₂ beitragen, während ihre Politiker sie stillschweigend alle noch tiefer in ein selbst gegrabenes Loch von Missmanagement, Inkompetenz und ideologischem Tunnelblick ziehen – alles natürlich mit dem Hinweis darauf, dass der russische Präsident Wladimir Putin daran schuld ist.

Übersetzt aus dem Englischen.

Rachel Marsden ist eine Kolumnistin, politische Strategin und Moderatorin eines unabhängig produzierten französischsprachigen Programms, das auf Sputnik France ausgestrahlt wird. Ihre Webseite finden man unter rachelmarsden.com

Mehr zum Thema"Heißer Herbst" in Frankreich: Aufgeheizte Stimmung nach Streik von Ölkonzern-Mitarbeitern

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.