Meinung

Die Medien und ihre Suche nach den Schuldigen für die Gaskrise

Die Medien suchen Schuldige für die aktuelle Gas- und Energiekrise. Dabei sollen die aktuellen Regierungen aus der Schusslinie genommen werden. Besonders interessant ist ein noch geheimes Filmprojekt.
Die Medien und ihre Suche nach den Schuldigen für die GaskriseQuelle: Gettyimages.ru © Anadolu Agency / Kontributor

von Thomas Röper

Die aktuelle Gas- und Energiekrise ist hausgemacht, darüber habe ich oft berichtet. An dieser Stelle will ich darauf nicht eingehen, am Ende dieses Artikels finden Sie eine Zusammenfassung der Gründe dafür, falls das für Sie neu sein sollte.

Die Krise wurde schon vor Jahren durch die EU-Reform des Gasmarktes eingeleitet und war seit spätestens Sommer 2021 absehbar, wie ich seitdem immer wieder berichtet habe. Der Anstieg der Energiepreise begann schon im Herbst 2021, woran man deutlich sehen kann, dass die Legende westlicher Medien und Politiker, die russische Intervention in der Ukraine sei an dem Debakel schuld, unwahr ist.

Die Eskalation der Gaskrise in diesem Jahr ist eine direkte Folge der Politik der EU und ihrer Mitgliedsstaaten, die die Krise durch ihre eigenen Sanktionen gegen Russland verschärft haben. Aktuell liefert keine der fünf Pipelines, die Gas aus Russland nach Europa pumpen können, mit voller Kapazität, weil die EU und ihre Mitglieder das verhindern. Zwei der fünf Pipelines sind aufgrund von politischen Entscheidungen der EU und ihrer Mitgliedsstaaten sogar vollständig außer Betrieb, Details dazu finden Sie hier. Es ist nicht Russland, das den Gasfluss reduziert hat und Gas als politisches Instrument einsetzt, es sind die EU und ihre Mitglieder.

Die Suche nach den Schuldigen

Da die Gaskrise aufgrund der steigenden Preise für Strom und Heizung und der im Winter zu erwartenden Energieknappheit zu Unzufriedenheit in der Bevölkerung führt, haben die Medien mit der Suche nach Schuldigen begonnen und dabei ein sehr einfaches, aber unwahres Narrativ erfunden.

Demnach ist natürlich Russland schuld, weil es angeblich den Gasfluss nach Europa reduziert hat. In dem oben verlinkten Artikel über die fünf Pipelines können Sie nachlesen, dass das schlicht gelogen ist, denn dass alle diese Pipelines weniger oder sogar gar kein Gas mehr nach Europa pumpen, liegt bei jeder dieser Pipelines an Entscheidungen, die Brüssel oder EU-Mitgliedsstaaten getroffen haben. Hätte die politische Führung der EU und ihrer Mitglieder ein echtes Interesse daran, die Gaskrise zu lösen, wäre das morgen möglich. Aber es ist politisch nicht gewollt, man will die Konfrontation mit Russland und die Abkehr vom russischen Gas, auch wenn es (derzeit) keinen Ersatz dafür gibt und diese Politik der europäischen Wirtschaft schweren Schaden zufügen und die Preise für private Verbraucher explodieren lassen wird.

Davon, dass das so ist und dass es ausschließlich die aktuell politisch Verantwortlichen sind, die die Krise und das Problem geschaffen haben, muss abgelenkt werden, denn wenn das der breiten Masse bekannt wäre, würde es wohl Massenproteste gegen die aktuellen Regierungen geben. Daher wird das Narrativ gefördert, Russland reduziere den Gasfluss und um die aktuell verantwortlichen Politiker weiter aus der Schusslinie zu nehmen, suchen die Medien nach anderen, vermeintlich Schuldigen. Dazu wird alles um verdreht, was bisher galt.

Schuld an dem Problem sind demnach nicht die heutigen Regierungen, sondern die früheren, die die europäische Abhängigkeit von russischem Gas jahrzehntelang zugelassen und gefördert haben. Die früher gefeierte "neue Ostpolitik" der Regierungen Brandt und Schmidt, die von Kohl und Schröder fortgesetzt wurde, ist nun plötzlich böse, denn sie hat Europa angeblich in die heutige Misere geführt.

Das ist Unsinn, denn weder die Sowjetunion, noch später Russland haben Gas jemals politisch eingesetzt. Der Gasfluss lief über Jahrzehnte ungehindert, solange die Abnehmer nur pünktlich ihre Rechnungen bezahlt haben, egal ob es während der großen Krisen im Kalten Krieg, des Kaukasuskrieges, nach den anti-russischen Sanktionen ab 2014 oder wann auch immer war. Für Russland ist der Gasexport ein Geschäft, keine Politik. Es ist der Westen, der das Thema politisiert hat, wie die aktuelle Drosselung der fünf Pipelines deutlich zeigt. Details über die Gaskrisen der letzten Jahrzehnte und ihre Gründe finden Sie hier.

Diese Medienkampagne, in der alle Fakten verdreht werden, war besonders deutlich an einem Spiegel-Artikel mit der Überschrift "Wie sich die Deutschen von Russland abhängig machten – Wir Gas-Junkies" aus Der Spiegel-Ausgabe 26/2022 von Ende Juni zu sehen. In dem Artikel wurde die von mir hier beschriebene Legende lang und breit aufgebaut. Ich hatte nach der Erscheinen des Artikels überlegt, die darin aufgelisteten Lügen aufzuzeigen, aber der Artikel ist so lang, dass die Audio-Version 49 Minuten dauert. Eine fundierte Widerlegung all der Unwahrheiten in dem Artikel wäre noch länger geworden, weshalb ich darüber nicht geschrieben habe.

Der O-Ton des Spiegel-Artikels ist, dass alle Entscheidungen früherer Bundesregierungen bezüglich der Russland- und der Energiepolitik falsch gewesen seien und die heutigen Regierungen seien demnach in der bedauernswerten Lage, vollkommen unverschuldet in das Dilemma geraten zu sein. Diese Botschaft wird von immer mehr "Qualitätsmedien" vertreten, wobei gilt: Ständiges Wiederholen einer Lüge macht aus der Lüge auch keine Wahrheit.

Da die Menschen in Deutschland und Europa zum Jahreswechsel mit voller Härte von den kommenden Nachzahlungen und Preiserhöhungen für Strom und Heizung getroffen werden, ist mit großer Unzufriedenheit in der Bevölkerung zu rechnen. Damit diese Unzufriedenheit die aktuellen Regierungen (also die tatsächlich für die Misere Verantwortlichen) nicht mit aller Härte trifft, müsste man erwarten, dass diese Medienkampagne noch verstärkt wird, um von den tatsächlich Verantwortlichen abzulenken und den zu erwarteten Volkszorn so gut wie möglich auf andere zu lenken.

Das Filmprojekt

Da ich bekanntlich seit einiger Zeit auch in Russland bekannt werde und viel Zeit in Moskau verbracht habe, wo ich viele interessante Experten kennengelernt habe, habe ich viele Hintergrundgespräche führen können. Ich werde in diesem Artikel etwas tun, was ich nur ungern tue und wovor ich immer warne, wenn Medien es tun: ich werde mich auf eine nicht genannte Quelle berufen. Das tue ich nur sehr selten, denn ich bin ein Freund davon, alles, was ich schreibe, auch mit nachprüfbaren Quellen zu belegen. In diesem Fall mache ich jedoch eine Ausnahme, denn wir werden schon in vier bis sechs Wochen wissen, ob meine Quelle die Wahrheit gesagt hat.

Mir wurde von einem Filmprojekt erzählt, das gerade unter recht großer Geheimhaltung in London umgesetzt wird und das schon im Herbst, wahrscheinlich im September, Premiere haben soll. Bisher ist über das Projekt öffentlich noch nichts bekannt, aber Insider der Branche reden bereits darüber, was bei einer kurz bevorstehenden Premiere nicht verwunderlich ist.

In dem Film soll demnach Merkel für die europäische Energiekrise verantwortlich gemacht werden. Der O-Ton des Filmes ist demnach, dass Merkel vorgeworfen wird, schuld an der Abhängigkeit Deutschlands vom russischen Gas zu sein. Sie war, wir erinnern uns, eine Verfechterin von Nord Stream 2, was praktisch das einzige Thema war, bei dem sie sich den Vorgaben aus Washington widersetzt hat. In dem Film wird das Verhältnis von Merkel zu Putin aufgegriffen und es wurden demnach 35 Interviews mit ehemaligen Kollegen von Merkel geführt, darunter Tony Blair, Hillary Clinton und andere.

Der Film soll ein Budget von – für so eine Doku bemerkenswerten – 1.5 Millionen Pfund haben und das Projekt soll laut den Absprachen mit den Produktionsfirmen Bildungszwecken dienen, nicht politischen und kommerziellen Interessen. Das deutet darauf hin, dass hier ein Film produziert wird, der dieses Narrativ, frühere Regierungen seien an allem Schuld und die heutigen Regierungen seien unschuldige Opfer der früheren Politik, in Bildungsprogramme aufgenommen werden soll. Das gewollte Narrativ soll verstärkt und in Stein gemeißelt werden.

Wer das Projekt umsetzt und finanziert

Das Geld, also die 1.5 Millionen Pfund, kommen demnach vom ehemaligen russischen Oligarchen Chodorkowski, der unter anderem wegen Betruges verurteilt, im Westen aber medial als „russischer Oppositioneller“ aufgebaut wurde. Laut der Quelle findet für den Film ein eifriger Austausch mit dem britischen Geheimdienst statt, dazu gleich mehr.

In London laufen die meisten Fäden der anti-russischen Politik zusammen. Die wichtigsten Organisationen von Chodorkowski haben dort ihren Sitz, gleiches gilt für die Einflüsterer von Nawalny und anderen Gegnern Russlands, deren Verbindungen zum britischen Geheimdienst MI6 bestens belegt sind. Darüber habe ich 2020 nach Nawalnys angeblicher Vergiftung einen langen Artikel geschrieben, den ich Ihnen wärmstens empfehle, wenn Sie sich für solche Hintergrundinformationen interessieren.

Meine Quelle hat mir drei Firmen genannt, die den Film angeblich produzieren: Merkel Films ltd., Passion Docs ltd., Passion Pictures.

Diese drei Firmen gehören zusammen, denn sie alle gehören zu der Produktionsfirma Passion Pictures. Besonders interessant ist, dass Merkel Films erst im April 2022 gegründet wurde, anscheinend extra für dieses Filmprojekt. Auch Passion Docs wurde erst vor zwei Jahren gegründet, während Passion Pictures bereits seit 35 Jahren existiert. Alle Firmen sind, wie ein Blick auf Google-Maps bestätigt, im gleichen Gebäude ansässig. Übrigens hat Merkel Films bisher nicht einmal eine eigene Internetseite, was für eine Filmproduktionsfirma mehr als merkwürdig ist.

Ein Hinweis darauf, dass Chodorkowski und auch der britische Geheimdienst ihre Finger im Spiel haben, ist die Tatsache, dass so hochrangige ehemalige Politiker interviewt wurden. Passion Pictures ist eine eher kleine Firma, die kaum die nötigen Kontakte hat, um solche Interviewpartner vor die Kamera zu bekommen. Da dürfte es einen "Türöffner" gegeben haben.

Meine Quelle hat mir von dem Filmprojekt, über das öffentlich noch nichts bekannt ist, erzählt, weil sie eine Frage an mich als Deutschen hatte: Wieso finanziert Chodorkowski einen Film, in dem Merkel niedergemacht werden soll? Merkel war doch bisher der Liebling der westlichen Medien.

Meine Antwort war die, die ich auch in diesem Artikel gegeben habe: Es geht darum, in den Augen der europäischen Öffentlichkeit die Schuld an der kommenden wirtschaftlichen Katastrophe von den heutigen Regierungen wegzuschieben, von ihnen abzulenken. Wenn man dazu Merkels im Westen bisher guten Ruf zerstören muss, ist das kein Problem.

Immer wieder Chodorkowski

Es ist faszinierend, wo Chodorkowski überall seine Finger drin hat. Er finanziert praktisch alle Medien der russischen radikalen Opposition, London ist der Sammelpunkt der radikalen russischen Opposition, von dort kommt deren Finanzierung und von dort werden sie gelenkt und mit Informationen versorgt. Chodorkowskis Name findet sich dort bei fast jedem Projekt.

Chodorkowski ist dabei keineswegs nur in Russland aktiv, er ist auch immer wieder daran beteiligt, wenn angebliche politische Skandale im Westen aufgedeckt werden. Er mischt sich ganz konkret in die Politik des Westens ein, wobei er seine Geschichten gerne frei erfindet. Ein williger Helfer von Chodorkowski in Deutschland ist dabei Der Spiegel, wie dieses und dieses Beispiel zeigen. Der Spiegel hat generell beste Verbindungen in die Londoner Clique der radikalen russischen Opposition, wie seine Zusammenarbeit mit dem von westlichen Geheimdiensten gelenkten und finanzierten Portal Bellingcat zeigt, das in den gleichen Londoner Kreisen vernetzt ist.

Was ich nun sage, ist natürlich spekulativ, aber wenn die Informationen meiner Quelle korrekt sind, dann wird der Film in den nächsten Wochen präsentiert. Sollte das so sein, gehe ich davon aus, dass Der Spiegel wieder ganz vorne dabei sein wird, wenn es darum geht, die Arbeit von Chodorkowski publik zu machen.

Die wahren Gründe für die Energiekrise

Wie eingangs versprochen, werde ich noch einmal die Gründe für die Energiekrise in Europa auflisten, die schon lange vor der russischen Intervention in der Ukraine begonnen hat und über die ich oft berichtet habe.

Erstens: Der Winter 2020/2021 war kalt, weshalb viel Gas verbraucht wurde. Pipelines und Tanker reichen nicht aus, um im Winter genug Gas nach Europa zu bringen, weshalb die Gasspeicher normalerweise im Sommer aufgefüllt werden. Das ist in 2021 ausgeblieben und während die Gasspeicher normalerweise zu Beginn der Heizsaison zu fast 100 Prozent gefüllt sind, waren es in dem Jahr nur knapp 75 Prozent.

Zweitens: Die Energiewende hat zu einem zu großen Anteil von Windenergie am Strommix geführt. Da der Sommer 2021 aber außergewöhnlich windstill war, fehlte die Windkraft und es wurde unter anderem Gas zur Stromerzeugung genutzt, das eigentlich in die Speicher hätte geleitet werden müssen.

Drittens: Der Wunsch vieler europäischer Politiker, russisches Gas durch vor allem amerikanisches Flüssiggas zu ersetzen, hat dazu geführt, dass in Europa nun Gas fehlt. Der Grund: In Asien waren die Gaspreise im letzten Sommer noch höher als in Europa und die fest eingeplanten amerikanischen Tanker sind nach Asien gefahren, anstatt nach Europa.

Viertens: Die Reform des Gasmarktes der letzten EU-Kommission hat den Handel mit Gas an den Börsen freigegeben. Dadurch wurde Gas zu einem Spekulationsobjekt. Während Gazprom sein Gas gemäß langfristiger Verträge für 230 bis 300 Dollar nach Europa liefert, ist es für die Importeure ein gutes Geschäft, das Gas an der Börse für inzwischen 2.000 und mehr Euro weiterzuverkaufen und diese Spekulationsgewinne in Höhe von mehreren hundert Prozent in die eigene Tasche zu stecken.

Thomas Röper ist Herausgeber und Blogbetreiber der Webseite Anti-Spiegel. Dieser Artikel wurde zuerst am 28. August auf Anti-Spiegel veröffentlicht.

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