Meinung

Zensur wütet – Mainstream freut sich: "Prorussischer" Aktivist in Hamburg festgenommen

Die Festnahme eines Hamburger Aktivisten, der auf sozialen Netzen Inhalte teilte, in denen Unterstützung der russischen Operation in der Ukraine bekundet und erwiesen wurde, beleuchteten die deutschen Medien gewohnt einseitig. Zensur wird gefeiert, um inhaltliche Auseinandersetzung zu meiden.
Zensur wütet – Mainstream freut sich: "Prorussischer" Aktivist in Hamburg festgenommen© Das Andere Deutschland

von Joe Bessemer

"Ermittler haben in Hamburg einen Mann festgenommen, der auf einem Telegram-Kanal russische Propaganda zum Krieg gegen die Ukraine verbreitet haben soll." So in etwa beginnen Nachrichten in den deutschen Medien zu diesem Anlass, das obige Zitat etwa stammt vom Springer-Blatt Welt. Auch Der Spiegel berichtet darüber mit Verweis auf Daten der Staatsanwaltschaft. Vorgeworfen wird dem 31-jährigen Deutschen ein Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, weil er sich mit einem echt aussehenden Sturmgewehr habe ablichten lassen, sowie "versuchtes Anwerben für einen fremden Wehrdienst" und schließlich die "Billigung von Straftaten nach dem Völkerrecht".

Vorrangig bestehe die Schuld darin, dass der Aktivist den Kanal "Das andere Deutschland" im Messenger Telegram betrieben haben soll, der als prorussische und "national-bolschewistische" Plattform positioniert wurde. Dort soll er offen Sympathien für Russlands friedensstiftende Intervention in den terroristischen Angriffs- und Vernichtungkrieg der mit US-Finanzen an die Macht geputschten faschistischen Kiewer Junta gegen ukrainische Bürger und das russische Volk in der Ukraine bekundet haben, der in den besagten beiden Medien ein "Angriffskrieg auf die Ukraine" genannt wird. Als besonders schwer belastender Beweis dafür wird angeführt, dass der 31-Jährige auf seinem Telegram-Kanal "in mindestens vier Fällen das Symbol 'Z' in einem eindeutigen Kontext benutzt", sowie "sechsmal in anderen sozialen Netzwerken". Mit all dem, so die Blätter mit Verweis auf die Staatsanwaltschaft, habe er "eine Straftat nach dem Völkerrecht gebilligt" – gemeint ist wohl eben der russische militärische Sondereinsatz auf dem Gebiet der Ukraine zu deren Demilitarisierung und Entnazifizierung, der im Establishment des Westens absichtlich als Angriffskrieg missdeutet und verschrien wird.

Für den 18. August habe der Aktivist seine Ausreise aus Deutschland nach Weißrussland geplant, von wo aus, wie die Ermittler mutmaßen, er ins Kampfgebiet zur Teilnahme an den Kriegshandlungen auf Seiten der Koalition der russischen Streitkräfte und der Volksmilizen der verbündeten Volksrepubliken Donezk und Lugansk weiterreisen wollte, so die Blätter sinngemäß weiter.

Das Landesamt für Verfassungsschutz habe der Polizei daher entsprechende Erkenntnisse übermittelt, worauf die Ordnungshüter unverzüglich und präventiv zugegriffen hätten. Bei der Durchsuchung der Wohnräume des namentlich nicht genannten Aktivisten wurden unter anderem mehrere Datenträger beschlagnahmt sowie mehrere Messer. Ein Sturmgewehr, dessen Modell nicht genannt wird, wurde zwar verwunderlicherweise nicht gefunden, dafür habe der Mann aber "offenbar Kontakte in die rechtsextremistische Szene".

Für Otto Normalbürger ohne Zugang zu Ermittlungsdaten ist es sehr schwierig, einige dieser Behauptungen zu überprüfen. Grund ist nicht zuletzt, dass alle Posts im Telegram-Kanal "Anderes Deutschland" mit knapp einem halben Tausend Abonnenten gelöscht wurden, ebenso wie der komplette von dort verlinkte gleichnamige Wordpress-Account, auf dem der Nutzer (offenbar längere) Texte veröffentlichte, auf die er dann von Telegram aus verwies. Dies muss entweder der Aktivist selbst im Laufe seiner Festnahme getan haben, um Beweismittel zu löschen, oder er wurde nach der Festnahme dazu gezwungen beziehungsweise die Beamten bekamen Zugriff zu seinen Kanälen und löschten die als in Deutschland verboten gewerteten Inhalte, um deren Weiterverbreitung zu unterbinden.

Nichtsdestoweniger lassen sich zu bestimmten Aussagen der Staatsanwaltschaft in Wiedergabe durch die Medien Kommentare abgeben.

An erster Stelle sei der zumindest nach der gegebenen Information anscheinend haltlose Vorwurf des Rechtsextremismus genannt. Und es geht nicht nur darum, dass der Kanal in der Tat nationalbolschewistisch positioniert wurde – und deutsche Nationalbolschewisten in ihren Gründungsjahren (denn in Deutschland wurde diese Couleur des Bolschewismus erfunden, jawoll!) aus ihrem proletarischen wie nationalen politischen Selbstverständnis heraus Feinde des von beinahe ausnahmslos allen Rechtsextremen vergötterten Dritten Reiches waren und ihre heutigen Erben heute noch dem Faschismus Feind sind, oder auch dass die russischen Nationalbolschewisten, denen sich der anonyme Aktivist sich dem Titelbild des Kanals nach zu urteilen vielleicht etwas näher verortet, auch heute allenfalls einen Boden- und keinen Blutnationalismus vertreten (und im Vergleich zur Anfangszeit der heute verbotenen russischen Nationalbolschewistischen Partei NBP in den letzten etwa dutzend Jahren ohnehin einen deutlichen Linksruck hinlegten).

Denn wie die im Telegram-Kanal "Anderes Deutschland" verbreiteten Inhalte in etwa aussahen, lässt sich nämlich auf einschlägigen Telegram-Statistikportalen nachprüfen, sofern sie neben den Statistiken zu jedem Post wie etwa die Aufrufzahlen auch die Fließtexte aus den Telegram-Posts selbst, oder auch die Textvorschau verlinkter Inhalte und Hyperlinks dorthin mitspeichern. Daher kann man es weitgehend dem namenlosen politischen Aktivisten selbst überlassen, sich im moralischen Umfeld (wenn nicht vor Gericht) zu verteidigen, sofern man bereit ist, ein minimales Maß an Recherchearbeit auf sich zu nehmen. Auf genauere Beschreibung wird hier aus rechtlichen Bedenken verzichtet, ebenso wie auf das Verlinken. Doch wer wie der Autor dieses Kommentars den angedeuteten unschweren Weg geht, kann sich davon überzeugen: Zumindest die richtigen Rechtsextremen, die heute stolz in der Ukraine offen Hakenkreuze und Runen der Waffen-SS präsentieren, werden Faschisten genannt und ihnen gegenüber wird eine Position unnachgiebiger Feindschaft bezogen, eben eine antifaschistische. Kostprobe gefällig? Bitteschön:

Erneute Flugblattaktion der deutschen Nationalbolschewisten gegen das faschistische Asow-Bataillon! 
Diese Woche trafen sich mehrere Aktivisten im ostdeutschen Hagenow, um die örtliche Bevölkerung über die Kriegsverbrechen des Asow-Bataillons aufzuklären. Asow kämpft nicht für die Verteidigung des ..."

Den revolutionären Gedanken – denn im Motto des Kanals wird nichts Geringeres als eine nationalbolschewistische Revolution, wenn auch nicht auf weiter präzisiertem Wege, gefordert – bezieht der Kanalautor allem Anschein nach bei keinem Geringeren als dem zweifelsohne linkspolitisch zu verortenden Bertolt Brecht. Denn sein entsprechender Aufsatz von 1943/44 trug, wenig erstaunlich, den Titel "Das andere Deutschland". Doch auch an die deutsche, später lateinamerikanische antifaschistische Zeitung mit demselben Namen erinnert der Kanalname sicherlich nicht zufällig.

Und nicht zuletzt hat der deutsche Nationalbolschewismus für den an sich schon inhärent linken antiimperialistischen Gedanken, der im Kanal in Bezug auf die Ereignisse in der Ukraine laut gedacht wird, mit dem Juden Paul Eltzbacher seinen eigenen, ganz sicher so gar nicht rechtsextremen "Propheten".

Grundsätzlich aber scheint es dem Kanalautor am ehesten um den Wunsch zu gehen, dass Deutschland, aber auch grundsätzlich jedes andere Land eine souveräne Innen- und Außenpolitik im Namen des Wohlergehens des eigenen und letztlich aller Völker, ganz nach Dr. Otto Strasser, verfolge. Dies scheint er gerade beim bundesdeutschen Staat schmerzlich zu vermissen und macht es an der Energiepolitik und den Folgen, die diese wegen der aktuellen russlandbezogenen Außenpolitik der BRD tragen muss, fest.

Ob der Vorwurf, für den Dienst bei einem fremden Militär anzuwerben, stimmt oder nicht, kann hier natürlich schwer überprüft werden. Zumindest was sich auf den Statistikdienst-Einträgen zum Telegram-Kanal von Das andere Deutschland zu diesem Thema finden lässt, ist dürftig. Es gibt die Weiterleitung eines Posts aus einem russischen Nazbol-Kanal, in dem einerseits in der Tat die Aufnahme in die internationale Brigade "15" der Volksmiliz der Volksrepublik Donezk bekannt gegeben und andererseits zum Spenden für die Front aufgerufen wird. Allerdings ist dieser Post in der russischen Sprache gehalten, von der man nicht unbedingt ausgehen kann, dass das deutsche Publikum sie ohne Weiteres versteht. Und im Kommentar der Kanalbetreiber in deutscher Sprache dazu ist lediglich von der "Unterstützung der zahlreichen Freiwilligen und Aktivisten" welcher Art auch immer die Rede, die sich bereits im Donbass befinden – und zwar ohne dass die erstgenannte Möglichkeit auf Deutsch überhaupt nur erwähnt, geschweige denn dass zum Kampf gerufen wird. (Im Übrigen dürfen die bundesdeutschen "kompetenten Organe" an dieser Stelle aufatmen: Wer der russischen Sprache in einem Maße mächtig ist, dass er in einer russischsprachigen Miliz dienen kann, findet den Original-Post oder ähnliche Aufnahmeannoncen auch ohnehin irgendwelche vermeintliche Mittlerschaft – weder von Das Andere Deutschland noch von RT DE.)

Doch hier ist ein anderer Aspekt wichtiger. Denn Fakt ist: Korrekt, in Deutschland ist bereits das versuchte Anwerben für den Dienst in einem fremden Militär strafbar. Schön und gut. Nun stellt sich die Frage: Warum wird jemand für die Weiterleitung eines derartigen Inhalts in einer fremden, den meisten im Lande unverständlichen Sprache strafrechtlich belangt – alldieweil die bundesweit gelesene FAZ mit ihren riesigen Auflagenzahlen völlig unbehelligt kaum etwas anderes tut, allerdings in deutscher Sprache? Wenn sie nämlich in einem Leitartikel an einem Beispiel erklärt, wie man als deutscher Staatsbürger auf Seiten der zahlreichen Kriegsverbrechen längst überführten faschistischen Kiewer Junta in deren Vernichtungskrieg gegen Frauen und Kinder im Osten der Ukraine ziehen kann? Und dabei daran erinnert, dass der Dienst im Militär eines Drittlandes als solcher in Deutschland straffrei ist? Ist das etwas Anderes? Oder sind auf dieser Farm der Tiere Manche doch noch gleicher als Andere? 

Dass das Z-Symbol, das nach Löschung aller Posts auf Telegram nunmehr allein im Kanallogo zu finden ist, wo es zudem ausgerechnet über einem recht martialischen Logotyp der russischen, noch Limonowschen Nazbol (statt etwa über dem Adler der deutschen Nationalbolschewisten) prangt, von den Medien oder der Staatsanwaltschaft als das wichtigste Zeichen der Unterstützung der russischen humanitären Militärintervention durch den Kanalautor dargestellt wird, dürfte kein Zufall sein. Denn der Kanalbetreiber spricht diese Unterstützung explizit aus, mal mit mehr, mal mit weniger Kontext – aber es ist eben stets weiterführender Kontext dabei, und es lassen sich anhanddessen Argumente für wie gegen suchen. So aber muss man sich nicht inhaltlich mit dem Vorwurf der "Billigung einer völkerrechtlichen Straftat in Form eines Angriffskrieges" beschäftigen: Das wäre nämlich gefährlich, denn man kann und muss mit ungleich mehr Recht dem kollektiven Westen mit den USA an der Spitze vorwerfen, Angriffskriege abermals, noch und nöcher geführt und dabei oft mit Deckmäntelchen verschiedentlicher herbeifingierter Anlässe oder maßlos überzogener Mandate gearbeitet zu haben – sei es Unterstützung demokratischer Oppositionskräftehumanitäre InterventionVerhinderung von Genozid, Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen, Vergeltung für vermeintliche Angriffe oder Verhinderung künftiger, Eindämmen unerwünschter, oft als unmenschlich lediglich verschriener Ideologien oder vieles Ähnliche mehr. Demgegenüber haben viele, sogar wohl nahezu alle diese Argumente volle Gültigkeit, wenn man sie auf den russischen Sondereinsatz im ukrainischen Krieg zu seiner Begründung anwendet. Einen guten Überblick hierzu liefert eine Präsentation des russischen Außenministeriums zu den Gründen des militärischen Sondereinsatzes im seit dem Jahr 2014 mal wütenden, mal schwelenden Ukraine-Krieg.

An dieser Stelle sollte am besten der festgenommene Kanalbetreiber selbst zu Wort kommen – hier verlinkt kommentiert er eine Nachricht von RT DE:

Lettland fordert von Russen, dass sie bei der Einreise die russische Militäroperation verurteilen

"Ob man von US-Bürgern demnächst auch bei der Einreise in die EU fordern darf, dass diese die völkerrechtswidrigen Angriffskriege der USA gegen Jugoslawien, Afghanistan oder den Irak verurteilen?"

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Mehr zum Thema – Russlands Außenministerium: Donbass und Ukraine 2014-2022 – Die Gründe für den Militäreinsatz

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