Meinung

Neue Räuberpistole: US-Beamte werfen russischem Geheimdienst "Schallangriffe" auf US-Agenten vor

Laut anonymen US-Beamten setzte der russische Militärgeheimdienst GRU weltweit US-Personal mysteriösen "Schallangriffen" aus, obwohl ein Wissenschaftler bereits früher die vermeintlichen "Angriffe" als Grillenzirpen entlarvte – "Kopfgeldaffäre" und "Russiagate" lassen grüßen.
Neue Räuberpistole: US-Beamte werfen russischem Geheimdienst "Schallangriffe" auf US-Agenten vor© YAMIL LAGE / AFP

von Nebojša Malić

Die "mutmaßlichen Vorfälle mit gerichteter Energie ", von denen US-Diplomaten und Spione auf der ganzen Welt angeblich heimgesucht worden wären, könnten das Machwerk von "Russlands militärischer Aufklärungseinheit, des GRU", gewesen sein. Dies behauptete die US-Zeitung Politico am Montag unter Berufung auf namentlich ungenannte "drei aktive bzw. ehemalige Beamte mit unmittelbarer Kenntnis der Diskussionen."

"US-Beamte vermuten, dass eine berüchtigte russische Spionagebehörde hinter angeblichen Angriffen stehen könnte, die gesundheitliche Probleme unter US-Regierungspersonal auf der ganzen Welt verursachen, so aktive und ehemalige Beamte mit unmittelbarer Kenntnis der Diskussionen."  

Die CIA und das US-Außenministerium gleichermaßen seien noch dabei, die angeblichen Angriffe zu untersuchen, doch würden sich auf jeden Fall "alle 18 föderalen Nachrichtendienste" jetzt auf die "mögliche Beteiligung" des GRU konzentrieren, so lässt ein anonymer Kongressbeamter verlauten.

Das macht es "sehr wahrscheinlich" (oder, um der Tradition treu zu bleiben: "highly likely"), dass die "Quelle" jemand aus dem Büro von Adam Schiff (vertritt den US-Bundesstaat Kalifornien im US-Repräsentantenhaus für die Demokratische Partei) ist, welcher auch dem House Intelligence Committee (Anm.: Ständiger Ausschuss für Geheimdienstliche Aufgaben im US-Repräsentantenhaus) vorsitzt – und bestens als Förderer jener Verschwörungstheorie bekannt ist, Russland habe bei den US-Präsidentschaftswahlen im Jahre 2016 "unsere Demokratie gehackt".

Der Teil mit den "18 Geheimdiensten" ist nämlich fast wortwörtlich identisch mit der Phrase "17 Geheimdienste", die beim Aufbauschen des Russiagate-Skandals verwendet wurde. Nur dass mit der neu gegründeten Space Force (zumal in ihrer bisher überwiegenden Funktion als Informations- und Datenlieferant. Anm. d. Red.) dieser illustren Schar inzwischen ein weiterer, eigener Nachrichtendienst hinzugefügt wurde. Das Problem dabei ist, dass letzten Endes nur ausgewählte Teams von nur vier dieser Dienste – vom FBI, von der CIA, der NSA und vom Büro des Direktors der Nationalen Nachrichtendienste – tatsächlich an dem Russiagate-Dokument beteiligt waren.

Was damals geschah – und das großbürgerliche Geschwafel von heute

Sie brachten damals eine als Memorandum verfasste Lageeinschätzung zustande, der zufolge die angebliche Einmischung "im Einklang mit den Methoden und Motivationen" stand, die sie Moskau zuschrieben. Das vergleiche man nun mit dem Zitat eines ehemaligen Beamten im nationalen Sicherheitsapparat bei Politico – dieser soll erklärt haben: Es "sieht aus, riecht und fühlt sich an wie GRU".

"Überblickt man einmal die Landschaft, so gibt es nur sehr wenige Leute, die dazu willens und fähig sind und die Technologie haben. Die Forensik ist eine ziemlich einfache", erklärte der anonyme ehemalige Beamte, der jedoch trotz seiner Pensionierung irgendwie angeblich immer noch bestens in der Informationsschleife geblieben sein will.

Ein anderer "ehemaliger Beamter" soll noch genauer differenziert haben, dass vielleicht Israel und China ebenso im Besitz der Technologie sein könnten, aber weder eine Präsenz an allen Orten der angeblichen Vorfälle unterhalten noch überhaupt den Wunsch dafür hegen sollen, US-Amerikaner anzugreifen. Aber Russland schon – oder wie soll man das verstehen? Nochmals: Keinerlei Beweise und nicht einmal eine einzige Erklärung, worauf all das – oder irgendetwas davon – gegründet sein soll, wurden vorgelegt.

Tatsächlich gaben die Quellen von Politico ja auch zu, dass kein spezifisches Waffensystem identifiziert wurde – doch das hielt sie nicht davon ab, über ein Gerät zu spekulieren, das in ein Auto oder gar einen größeren Rucksack passen könnte und das in der Lage sein soll, eine Person aus 500 bis 1.000 Metern Entfernung zu "treffen". Existiert eine solche Waffe denn wirklich?

Der Popanz ist tot – es lebe der Popanz

Heute, da es das KGB nicht mehr gibt, zeigen US-Propagandisten liebend gern mit dem Finger auf dem "Militärgeheimdienst" GRU – der übrigens über ein Jahrzehnt lang gar nicht mehr unter diesem Namen firmierte. Diesem Nachrichtendienst wurde alles Mögliche vorgeworfen – stets bar jeglichen Beweises freilich: von angeblichen Hackerangriffen auf die E-Mail-Accounts von Hillary Clintons Wahlkampfmanager John Podesta über das Betreiben von WikiLeaks im Jahr 2016 bis hin zur mutmaßlicher Zahlung von "Kopfgeldern" an die Taliban – natürlich für das Töten von US-Truppen in Afghanistan.

Die Geschichte um angebliche "russische Kopfgelder", ihrerseits ebenfalls auf anonymen Quellen basierend, tauchte gerade noch rechtzeitig auf, um den Plan des damaligen US-Präsidenten Donald Trump zu stoppen, die US-Truppen bis Ende 2020 aus Afghanistan abzuziehen – und um den damaligen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden zugleich mit rhetorischer Munition zu versorgen, damit er Trump fehlenden Patriotismus vorwerfen konnte. Nachdem aber Biden im Weißen Haus installiert wurde und seinerseits ankündigte, dass die USA sich aus Afghanistan zurückziehen würden, wurde die "Kopfgeld"-Sache nur noch auf die "Vertrauenswürdigkeitsstufe: Gering" herabgestuft und letztlich ganz stillschweigend fallengelassen.

Die bombastischen Spekulationen in Politico wurden mittlerweile genauso schnell und unkritisch aufgegriffen und nachgeplappert wie früher beispielsweise das "Kopfgeld"-Narrativ. Dabei ignorierten die Medien auf der ganzen Welt geflissentlich die Warnung, die eigens vom Medienhaus selbst veröffentlicht wurde – nämlich, dass alle offiziellen Äußerungen von Regierungsvertretern eigentlich den Weg über das Kommunikationsteam des Weißen Hauses gehen müssten.

Russland-Bashing: Check – Wissenschaft: Fehlanzeige

Während Biden dafür wirbt, man solle "der Wissenschaft folgen" – eine Phrase, die der 78-Jährige gern in seinen Reden wiederholt – fehlt jeglicher Rest dieses Grundsatzes bei allen Diskussionen über die angeblichen Schallangriffs-Vorfälle: Bereits im Januar 2019 hatte ein US-Wissenschaftler von der Universität Berkeley die Schallaufnahmen der angeblichen "Angriffe", die Associated Press publik gemacht hatte, analysiert – und hatte sie als das Zirpen paarungswilliger Grillen identifiziert.

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Übersetzt aus dem Englischen. Nebojša Malićist ein serbisch-amerikanischer Journalist, Blogger und Übersetzer, der von 2000 bis 2015 eine regelmäßige Kolumne für Antiwar.com schrieb und jetzt leitender Autor bei RT ist. Folgen Sie ihm auf Telegram @TheNebulator und auf Twitter @NebojsaMalic

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