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Verkehrswende: Im ÖPNV wird das eher eine Rolle rückwärts

Der öffentliche Nahverkehr sollte bundesweit so richtig attraktiv werden, um möglichst viele Autofahrer zum Umsteigen zu verleiten – so die ursprüngliche Absicht. Inzwischen werden Busfahrpläne aber eher zusammengestrichen als erweitert; die "Verkehrswende" scheitert.
Verkehrswende: Im ÖPNV wird das eher eine Rolle rückwärtsQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON

Es wird immer enger bei den grünen Lieblingsprojekten. Auch die "Verkehrswende" droht zu scheitern, und nicht nur am Problem der Elektroautos.

Eigentlich soll der öffentliche Nahverkehr in den Städten ausgebaut werden. Um tatsächlich mehr Fahrgäste in U-Bahnen, Busse oder Straßenbahnen zu locken, bräuchte es vielerorts aber kürzere Taktungen. Ein kürzerer Takt bedeutet aber mehr Fahrzeuge, mehr Fahrer, also auch mehr Geld.

Die meisten Planungen für den Ausbau des ÖPNV stammen aus der Zeit vor den Russland-Sanktionen und ihren Folgen – steigenden Energiepreisen und Lebenshaltungskosten. Der ÖPNV braucht üblicherweise Subventionen, die Kommune, die ihn betreibt, muss also Mittel zuschießen. Ob sie das kann und in welcher Höhe, ist wiederum davon abhängig, wie es um den kommunalen Haushalt bestellt ist. Der öffentliche Nahverkehr gehört nämlich nicht zu den Pflichtaufgaben, wie beispielsweise der Betrieb der Meldebehörden oder die Abwasserentsorgung. Das bedeutet, die Mittel, mit denen der ÖPNV gestützt wird, können bei schlechter Haushaltslage heruntergefahren werden. Was es aber zuallererst erwischt, sind die Investitionen in Neubeschaffungen.

Ein Beispiel dafür kann man derzeit in München sehen. Bis 2030 sollte die Münchner Verkehrsgesellschaft, die als Tochter der kommunalen Stadtwerke den innerstädtischen Nahverkehr mit Ausnahme der S-Bahn betreibt, 11,2 Milliarden Euro in zusätzliche Fahrzeuge investieren; 40 U-Bahn-Züge, 100 Straßenbahnen und 450 Busse. Dadurch sollte der Takt dicht genug werden, um zusätzliche sechs Prozent des Verkehrs vom Auto in den ÖPNV zu locken. Jetzt sollen 2,7 Milliarden davon gestrichen werden.

Ein Problem, vor dem nicht nur München stehen dürfte. Die kommunalen Finanzen sind klamm, und sie werden in nächster Zeit noch klammer werden. Schließlich wirken sich auch Maßnahmen wie das Habecksche Heizgesetz gleich mehrfach auf die Städte aus. Zum einen müssen sie vorhandene Fernwärmenetze ausbauen, zum anderen besitzen Kommunen üblicherweise eine Menge Immobilien, die auch nach den Vorgaben dieses Gesetzes umgebaut werden müssen. Kindergärten, Schulen, Verwaltungsgebäude, Krankenhäuser, Wohnungsunternehmen – weder beim Bund noch bei den Bundesländern werden diese Anforderungen so hohe Kosten verursachen wie bei den Kommunen. Und die höheren Energiepreise machen sich selbstverständlich ebenso bemerkbar wie die Steigerungen bei den Baukosten.

Im Ergebnis sind die Berechnungen, die einmal stattgefunden hatten, um die Finanzierung großer Projekte wie eines Ausbaus des ÖPNV zu ermöglichen, inzwischen so gut wie wertlos, weil sich zu viele Parameter verändert haben. Die erforderlichen Zuschüsse zum ÖPNV steigen, weil die Energiekosten nicht vollständig auf die Fahrpreise umgelegt werden können; diese Mittel stehen aber dann für Investitionen nicht mehr zur Verfügung. Auch die Erhöhung der CO₂-Abgabe, an der die Bundesregierung nach wie vor festhält, wird sich in den kommunalen Haushalten niederschlagen.

Dazu kommt noch ein weiteres Problem, für das bisher keine Lösung gefunden wurde: 3.000 Busfahrer und Lokführer fehlen inzwischen bundesweit. Der Mangel ist so groß, dass inzwischen in vielen Städten, auch in München, die Taktzeiten im Busverkehr verlängert statt verkürzt wurden. Das ist der augenblickliche Stand. Bis 2030 sollen aber für die geplante "Verkehrswende" ganze weitere 100.000 Beschäftige im Fahrdienst benötigt werden. Die Zahl dürfte nicht übertrieben sein. Wenn man allein die für die ursprünglich in München geplante Ausweitung erforderliche Zahl der zusätzlichen Fahrer überschlägt, kommt man auf mindestens 1.500 Fahrer.

Selbst der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen Ingo Wortmann brachte eines der Kernprobleme dabei auf den Punkt: "Wenn wir unsere Kollegen besser bezahlen sollen, was wir, glaube ich, auch müssen, dann brauchen wir auch wiederum mehr Geld."

Gerade in den Metropolen ist die Bezahlung mit der Hauptgrund, warum die bereits jetzt offenen Stellen nicht besetzt werden können. Schließlich muss es mit dem Einkommen nicht nur möglich sein, eine Wohnung zu bezahlen, sondern auch, eine zu finden. Im Bereich des ÖPNV schlagen jetzt die jahrelang gedrückte Bezahlung und die hohen Mieten ebenso zu wie im Pflegebereich; das Ergebnis sind immer größer werdende Lücken.

Während offiziell auf allen Ebenen nach wie vor angestrebt wird, den ÖPNV auszubauen, brechen diese Planungen in der Realität bereits zusammen. Weil die finanzielle Berechnung Makulatur ist (was sich durch das Platzen der diversen Schattenhaushalte des Bundes noch verschärfen dürfte), weil die Kosten auch durch politische Entscheidungen wie die Russland-Sanktionen explodieren und weil an allen Ecken und Enden das Personal fehlt. Als Bonus obendrauf kommen dann noch massive Fehlplanungen wie durch den ehemaligen Bahnchef Rüdiger Grube, der 2016 davon ausgegangen war, dass Züge demnächst ohnehin fahrerlos betrieben würden, und daher schon einmal die Ausbildung von Lokführern zusammengestrichen hatte. Die nun natürlich nicht nur im Fernverkehr fehlen.

Es sieht ganz danach aus, als würde die "Verkehrswende" eine Rolle rückwärts.

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