Deutschland

Klatsche für viele Pfleger – Neuer Bonus "unzureichend und ungerecht"

Da Pflegekräfte in besonderem Maße belastet sind, will die Bundesregierung ihrer Anerkennung für diesen Einsatz zusätzlich Ausdruck verleihen und hat sich auf Bonuszahlungen und bessere Arbeitsbedingungen geeinigt. Jedoch sei der Gesetzentwurf lückenhaft und vergifte gar die Stimmung, lautet die Kritik.
Klatsche für viele Pfleger – Neuer Bonus "unzureichend und ungerecht"Quelle: www.globallookpress.com © Jürgen Heinrich / imago-images/ Global Look Press

Statt Beifall soll den gebeutelten Mitarbeitern in Kliniken und Pflegeheimen nunmehr ein Bonus zukommen, wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in einem Gesetzentwurf vorschlug, dem das Bundeskabinett am Mittwoch zustimmte. Demnach können Pflegekräfte einen gestaffelten Bonus von bis zu 2.500 Euro für ihren Einsatz während der COVID-19-Pandemie erhalten.

Lauterbach wertete den Bonus als Dank für den "besonderen Einsatz" des Pflegepersonals in der Pandemie. "Auch in Zeiten knapper Kassen ist das ein wichtiges Zeichen", so Lauterbach. Er versprach zugleich, dass die Bundesregierung es nicht bei dem Bonus belassen werde, sondern sich für deutlich bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung von Pflegekräften einsetzen will. Entsprechend hatte sich bereits Kanzler Olaf Scholz (SPD) geäußert.

Bei zahlreichen Demonstrationen hatten Pflegekräfte hierzulande auf die Missstände hingewiesen und gewarnt, dass Deutschland sehenden Auges in einen Pflegenotstand gerate. Insgesamt stellt der Bund eine Milliarde Euro zur Verfügung, je zur Hälfte für Kranken- und für Altenpflegekräfte. Mehr als 1,5 Millionen Beschäftigte sollen davon profitieren.

500 Millionen Euro zur Auszahlung des Bonus sollen Krankenhäuser bekommen, die im vergangenen Jahr besonders viele COVID-19-Patientinnen und -Patienten behandelten, die beatmet werden mussten. Dies sind laut Ministerium 837 Kliniken in Deutschland. Sie sollen das Geld gestaffelt an die Krankenpflegekräfte verteilen. Diese müssen aber mindestens drei Monate in der Klinik beschäftigt gewesen sein.

Der Gesundheitsminister sagte, Fachpflegekräfte im Intensivbereich bekämen nach vorläufigen Berechnungen mindestens 2.500 Euro, Fachpflegekräfte 1.700 Euro und Kräfte der Langzeitpflege etwa 550 Euro. Mit weiteren 500 Millionen Euro soll der Bonus für Altenpflegekräfte finanziert werden, die zwischen November 2020 und Ende Juni 2022 mindestens drei Monate in einem Heim gearbeitet haben. Bei den Altenpflegekräften sollen Vollzeitbeschäftigte in der direkten Pflege und Betreuung laut Gesetzentwurf den höchsten Bonus in Höhe von 550 Euro erhalten. Bis zu 370 Euro sollen Beschäftigte bekommen, die mindestens 25 Prozent ihrer Arbeitszeit betreuend oder pflegend tätig sind.

Für die Klinik-Pflegekräfte muss die genaue Höhe der Zahlungen erst noch berechnet werden. Der Gesetzentwurf sieht dafür vor, dass sich das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus von den Kliniken die jeweiligen Zahlen der fraglichen Pflegekräfte beschafft und anhand des zur Verfügung stehenden Millionenbetrags die Höhe errechnet. Dabei soll die Prämienhöhe für Fachkräfte in der Intensivpflege um das Eineinhalbfache höher liegen als für Pflegefachkräfte auf bettenführenden Stationen.

Auch Auszubildende, Freiwilligendienstleistende, Helferinnen und Helfer im freiwilligen sozialen Jahr und Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer sollen laut dem Gesetzentwurf einen Bonus erhalten. Das Gesetz soll Ende Juni in Kraft treten, der Bundestag muss noch zustimmen. Doch inwieweit der Schritt von Pflegekräften begrüßt wird, bleibt abzuwarten.

Denn längst nicht alle überbelasteten Kliniken erhalten einen Anteil vom Pflegebonus, sondern nur jene, die im letzten Jahr mehr als zehn infizierte Patienten behandelten, "die mehr als 48 Stunden beatmet wurden". Insgesamt sind das 837 Krankenhäuser, die somit zusammen 500 Millionen Euro erhalten.
 Diese wiederum sollen den Bonus nur an Pflegefachkräfte in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen und an Intensivpflegekräfte weitergeben, die im Jahr 2021 für mindestens 185 Tage in dem Krankenhaus beschäftigt waren.

Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand, hatte den Gesetzentwurf bereits früher kommentiert und auf zahlreiche Probleme verwiesen. So sei zwar die finanzielle Würdigung der besonderen Leistungen und Belastungen der Beschäftigten im Gesundheitswesen während der COVID-19-Pandemie unbedingt angebracht. Doch sei bei den geplanten Ausgaben in Höhe von einer Milliarde Euro vorprogrammiert, dass die gute Absicht zunichtegemacht würde, da zu viele Kräfte leer ausgehen:

"Das reicht hinten und vorne nicht, um allen Beschäftigten, die während der Pandemie hohen Belastungen ausgesetzt sind, einen angemessenen Bonus zu zahlen. Beschäftigte, die nichts bekommen sollen, werden das als Affront empfinden", warnte Bühler.

Bezüglich der Planung, den Etat jeweils zur Hälfte für Beschäftigte von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen bereitzustellen, erklärte die Bundesfachbereichsleiterin, es ist gut, dass der Bundesgesundheitsminister konkrete Regelungen zur Verteilung der Prämie schaffe und diese Aufgabe nicht den Einrichtungen und betrieblichen Interessenvertretungen aufbürde. In der Vergangenheit hätte dies in den Betrieben zu Unfrieden geführt.

"Doch die bisherigen Pläne sind unzureichend und ungerecht", so die Gewerkschafterin. "Im Krankenhaus werden Berufsgruppen außerhalb der Pflege ausgeschlossen, und selbst nicht alle Pflegepersonen sollen einen Bonus erhalten. Und wie will man begründen, dass Beschäftigte im Rettungsdienst, in Psychiatrien, Reha-Kliniken und in der Behindertenhilfe keine finanzielle Anerkennung bekommen sollen? Ihre Leistungen müssen ebenfalls honoriert werden."

Entsprechend kritisierte auch Bundesvereinigung Lebenshilfe, dass Mitarbeitende in der Behindertenhilfe "erneut keine finanzielle Anerkennung" erhalten sollen. In der Altenpflege klaffen ebenfalls große Lücken bei der Begünstigung. Nur wer im Zeitraum von November 2020 bis zum 30. Juni 2022 für mindestens drei Monate in der Altenpflege tätig war, erhält einen Anteil der 500 Millionen Euro, die in diesen Bereich fließen sollen.

Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, kritisierte den Pflegebonus ebenfalls als unzureichend. "Von Wertschätzung der Bundesregierung ist hier wenig zu sehen", erklärte er der Deutschen Presse-Agentur und verwies auf weitere Lücken. Engagierte Mitarbeiter, die sich etwa um Krebs-, Schlaganfall- oder Herzinfarkt-Patienten kümmerten, blieben außen vor. "Mit diesem Pflegebonus-Konzept vergiftet der Bundesgesundheitsminister die Stimmung unter den Millionen Beschäftigten."

Bühler hatte zudem bereits früher angemerkt, es müssten auch "ganz grundsätzliche Lehren aus der Pandemie gezogen werden. So darf das Gesundheitswesen als wichtiger Bereich der Daseinsvorsorge nicht länger dem ökonomischen Wettbewerb ausgesetzt werden."

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