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Wie Washington mit Gerichtsverfahren Milliarden aus ausländischen Firmen herausholt

Die USA haben ein französisches Unternehmen wegen der Finanzierung von "Terroristen" mit einer Geldstrafe belegt. Wenn jedoch Washington echte Terroristen finanziert, werden sie in "Freiheitskämpfer" umbenannt.
Wie Washington mit Gerichtsverfahren Milliarden aus ausländischen Firmen herausholtQuelle: AP © Yuki Iwamura

Von Rachel Marsden

Die US-Regierung ist empört darüber, dass der französische Zementriese Lafarge zugab, in einem Kriegsgebiet Geschäfte gemacht und sechs Millionen Dollar an Dschihadisten von Al-Qaida und Al-Nusra in Syrien gezahlt zu haben. Nichts, was nicht durch eine Geldstrafe in der Höhe von fast 800 Millionen Dollar gesühnt werden könnte, die Washington verhängte. Aber warum werden die USA nie für ähnliche Machenschaften zur Rechenschaft gezogen?

Die Fabrik von Lafarge, die zwischen Aleppo und der türkischen Grenze steht, war im Jahr 2010 gerade mal ein Jahr vor dem Ausbruch des Konflikts in Syrien eröffnet worden – einem weiteren westlichen Stellvertreterkrieg in einem energiestrategisch wichtigen Staat. Den vom Westen unterstützten "syrischen Rebellen" gelang es nicht, Präsident Baschar al-Assad zu stürzen, während jedoch dschihadistische Gruppierungen in das Gebiet drängten, um das Chaos auszunutzen. Wie also bleibt ein Unternehmen in einem aktiven Kriegsgebiet weiterhin aktiv? Indem man dschihadistische Gruppen in jenem Gebiet bezahlt, in dem man versucht, eine Fabrik am Laufen zu halten.

Lafarge, das im Jahr 2015 mit dem Schweizer multinationalen Konzern Holcim fusionierte, bekannte sich Anfang vergangener Woche in den USA für schuldig, eine Art Schutzprogramm für Arbeitnehmer und Führungskräfte betrieben zu haben und erklärte sich damit einverstanden, eine Geldstrafe von 777,8 Millionen US-Dollar an das US-Finanzministerium zu zahlen. Somit wurde zum ersten Mal in den USA ein Unternehmen wegen Unterstützung des Terrorismus verurteilt.

"Inmitten eines Bürgerkriegs hat Lafarge die undenkbare Entscheidung getroffen, ISIS, einer der barbarischsten Terrororganisationen der Welt, Geld in die Hände zu geben, damit man weiterhin Zement produzieren und verkaufen kann", sagte der US-Bundesstaatsanwalt für den östlichen Bezirk von New York, Breon Peace, in einer Erklärung.

"Lafarge tat dies nicht nur als Gegenleistung für die Erlaubnis, sein Zementwerk zu betreiben – was schlimm genug gewesen wäre – sondern auch, um seine Beziehung zu ISIS für einen wirtschaftlichen Vorteil zu nutzen und um Unterstützung von ISIS zu bitten, um die Konkurrenz von Lafarge zu schädigen, im Austausch für einen Anteil an den Gewinnen."

Als Antwort darauf, dass Frankreich auf dem globalen Spielfeld betrogen hat, nutzte die US-Regierung die Macht ihrer "Verordnung über korrupte Machenschaften im Ausland" (FCPA), um Lafarge einen Schaden zuzufügen. Zwar wurde Lafarge auch in Frankreich wegen desselben Sachverhalts angeklagt, aber wie landet ein französisches Unternehmen vor einem Gericht in den USA? Nun, die USA haben – im Gegensatz zu anderen Ländern – eine lange Tradition darin, aktiv zu versuchen, ihr Justizsystem als stumpfes, wirtschaftliches Instrument gegen ausländische Mitbewerber einzusetzen – was sie machen können, sobald ein ausländisches Unternehmen in irgendeiner Weise an der Wall Street oder in den USA tätig ist, mit US-Dollar handelt oder sogar nur einen Server in den USA betreibt.

Französische Unternehmen wurden schon öfter vom US-Justizministerium ins Visier genommen, aber einige hochrangige französische Führungskräfte geben privat zu, dass man ziemlich naiv sein muss, um zu glauben, dass diese Art von Praxis selten oder nur auf Frankreich beschränkt ist. Sie sind auch der Meinung, dass die Wahl des US-Justizministeriums, wen man ins Visier nehmen will, höchst selektiv ist. Es ist nicht schwer, zu verstehen, warum. Führungskräfte des französischen multinationalen Unternehmens Alstom beispielsweise wurden von den USA der Korruption beschuldigt und mit Gefängnisstrafen von bis zu fünfzehn Jahren bedroht. Das Endergebnis, das alles wieder ins Lot brachte, war die Zahlung einer Strafe in der Höhe von 772 Millionen US-Dollar an die US-Regierung und der Verkauf von Frankreichs industriellem Kronjuwel – Alstom – an den Pentagon-Vertragspartner General Electric.

Das britische Unternehmen Nycomed Amersham wurde von General Electric übernommen, nachdem gegen Nycomed Vorwürfe laut wurden, Schmiergeldzahlungen an den Irak bezahlt zu haben, um Verträge im Rahmen des UN-Programms "Öl für Lebensmittel" zu erhalten. Die französische Bank Société Générale zahlte im Jahr 2018 satte 585 Millionen US-Dollar, um das, was das US-Justizministerium als "langjähriges System der Bestechung in Libyen" bezeichnete, beizulegen. Und der französische Energieriese Total zahlte im Jahr 2013 fast 400 Millionen US-Dollar an Geldstrafen in die US-Staatskasse, um Anklagen im Zusammenhang mit Geschäftsaktivitäten im stark sanktionierten Iran zu begleichen.

Das schwedische Telekom-Riese Ericsson zahlte Mitte 2019 eine Milliarde US-Dollar an das US-Justizministerium, um eine strafrechtliche Verfolgung wegen angeblicher Korruption in den Jahren 2000 bis 2016 zu vermeiden. Im vergangenen Jahr wurde Ericsson vorgeworfen, gegen eine von einem US-Gericht angeordnete, dreijährigen Periode der "Überwachung der Regelkonformität für mehr Transparenz" verstoßen zu haben.

Es ist nicht so, dass Washington nicht auch Dschihadisten, pardon … Freiheitskämpfer, in Kriegsgebieten von Lateinamerika bis nach Afrika und im Nahen Osten – speziell in Syrien – unterstützt. Die westliche Presse wies darauf hin, dass die vom Westen unterstützte syrische Opposition schließlich mit Al-Qaida fusioniert hatte. Und wer bezahlte die Ausbildung und Ausrüstung dieser "gemäßigten syrischen Rebellen", von denen zumindest einige bei Al-Qaida endeten? Derselbe Onkel Sam – über die CIA und das Pentagon – der nach dem 11. September 2001 geschworen hatte, Terroristen zu jagen, nachdem man Al-Qaida direkt für die Anschläge verantwortlich gemacht hat.

Wir sprechen hier von Milliarden von US-Steuergeldern, die letztlich dazu dienten, Dschihadisten auszubilden. Aber niemand bringt den guten alten Onkel Sam deswegen vor Gericht. Und bevor irgendjemand argumentiert, dass sich eine staatliche Geheimdienstoperation von den Handlungen der privaten Unternehmen unterscheidet, stellt ein Dokument des französischen Militärgeheimdienstes fest, dass man seit dem Jahr 2014 von den Zahlungen an die Dschihadisten durch Lafarge wusste.

Die französischen und die amerikanischen Methoden mögen unterschiedlich sein, aber das Ergebnis ist dasselbe. Aber es ist amüsant zu sehen, wie sich Washington öffentlich an seine Perlen klammert, während es einem Konkurrenten Hunderte von Millionen Dollar entzieht, um seine Ohnmacht abzufedern, weil sein zartes moralisches Empfinden so tief gekränkt wurde.

Übersetzt aus dem Englischen.

Rachel Marsden ist eine Kolumnistin, politische Strategin und Moderatorin eines unabhängig produzierten französischsprachigen Programms, das auf Sputnik France ausgestrahlt wird. Ihre Webseite finden man unter rachelmarsden.com

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